Luzerner "Peer Gynt" gewinnt Online-Theatertreffen
11.02.2011 Das Portal nachkritik.de hat das Ibsen-Stück am Theater Luzern (Bild) zur herausragendsten Inszenierung im deutschsprachigen Raum gekürt.
Triumph für das kleines Schweizer Haus: Mit Henrik Ibsens Stück "Peer Gynt" in einer Inszenierung des Isländers Thorleifur Örn Arnarsson hat das Theater Luzern das virtuelle Theatertreffen 2011 des Internetportals nachtkritik.de gewonnen.
Zunächst hatten die Korrespondenten der Kritikendatenbank eine Vorauswahl von 38 herausragenden Inszenierungen der vergangenen zwölf Monate im deutschsprachigen Theaterraum erstellt. Die Internetgemeinde wählte daraus ihre zehn Favoriten.
Neben dem Stimmsieger, dem Luzerner "Peer Gynt", finden sich auf der Bestenliste "Das Prinzip Meese" (Maxim Gorki Theater Berlin), "Das Werk / Im Bus / Ein Sturz" (Schauspiel Köln), "Die Räuber" (Schauspiel Bremen), "Don Carlos" (Staatsschauspiel Dresden), "Ein Volksfeind" und "Perfect Happiness" (beide Theater Biel-Solothurn), "Prinz Friedrich von Homburg" (Prinz-Regent-Theater Bochum), "Shoot / Get Treasure / Repeat" (Theater Osnabrück) und "Testament" (Hebbel am Ufer Berlin).
Als Medienpartner des Berliner Theatertreffens angefangen
Seit Mai 2007 ist nachtkritik.de online. Damals ging das Portal als Medienpartner des renommierten Berliner Theatertreffens aufs Netz. Mittlerweile hat das Kulturprojekt über 40 Autoren und acht Redakteure und verzeichnet monatlich gut 900'000 Seitenaufrufe.
LeserInnen können sich bereits zum Frühstück mit Rezensionen vom Vorabend beschäftigen, über Festivals informieren oder in erbitterten Leserdiskussionen den Profikritikern Kontra geben.
Die Texte zu den besprochenen Inszenierungen bleiben im Lexikon und im offenen Archiv auch über den eigentlichen Aufführungszeitraum hinaus unbegrenzt zugänglich. Durch eine Kritikenrundschau anderer Medien wird in den Folgetagen die jeweilige Nachtkritik ergänzt.
(Ag.)
Quelle:
Mehr:
http://www.art-tv.ch/6597-0-luzerner-theater--peer-gynt.html
Kontakt:
http://www.luzernertheater.ch/
Bild: "Peer Gynt" © Toni Suter/T+T Fotografie
Direkt von der http://www.nachtkritik.de
Hier die zehn Inszenierungen (in alphabetischer Reihenfolge), die Leser und Leserinnen von nachtkritik.de zum virtuellen nachtkritik-Theatertreffen 2011 gewählt haben:
Das Prinzip Meese, Oliver Kluck,
Maxim Gorki Theater Berlin, Regie: Antú Romero Nunes, Nachtkritik
vom 8. Februar 2010
In seiner Uraufführung poliert Antú Romero Nunes Oliver Klucks nicht eben genialen Text zu eineinhalb Sternstunden auf: Den bauchnabelbeschauenden, stets ironisch getönten Ennui der Generation Praktikum macht er spürbar, wenn sich Anika Baumann und Michael Klammer in ihrem Bühnen-Kinderzimmer austoben. Dass einem die zwei Darsteller in diesem Un-Stück nicht nur ans Zwerchfell, sondern auch ans Herz gehen, ist ein veritables Theaterwunder.
Das Werk / Im Bus / Ein Sturz,
Elfriede Jelinek,
Schauspiel Köln, Regie: Karin Beier, Nachtkritik
vom 29. Oktober 2010, Video
Ein Katastrophen-Slapstick, denn das Unglück ist auch ein fauler Witz. Mit Elfriede Jelineks "Das Werk / Im Bus / Ein Sturz" erreicht die Uraufführungs-Regisseurin Karin Beier wiederum neue Ufer. Es wechseln Stimmungsbögen vom Weichgespülten zum Gehärteten, vom leichtfüßig Soubrettenhaften zum massiven Einsatz - und sind in jeder Facette scharfsinnig, beklemmend virtuos, souverän und wirkungssicher geführt. Dabei wird der Kölner Archiv-Ein-"Sturz" fast zur reinen Farce: die Katastrophe als Büro-Satire. Und ist doch auch elementares Ereignis. Theater als Naturgewalt.
Die Räuber, Friedrich Schiller,
Schauspiel Bremen, Regie Volker Lösch, Nachtkritik
vom 27. Februar 2010, Video
Volker Lösch verkürzt den alten Klops nicht nur um entscheidende Längen, sondern übersetzt auch den Konflikt darin überzeugend in die Bremer Gegenwart - in einem tollen Bühnenbild dazu.
Don Carlos, Friedrich Schiller,
Staatsschauspiel Dresden, Regie: Roger Vontobel, Nachtkritik
vom 27. März 2010, Video
Nicht jede interpretatorische Wendung leuchtet ein, aber: die psychologische Dichtheit, die schneidende Präsenz, die Selbstaufgeklärtheit der Spielweise. Keiner wickelt hier seine Sätze einfach als Figurenbeiwerk ab, keiner flüchtet sich in routinierte, abgehangene Gesten. Ein intensives Denk- und Schaustück.
Ein Volksfeind, Henrik Ibsen,
Theater Biel-Solothurn, Regie: Katharina Rupp, Nachtkritik
vom 14. Januar 2011
Es gelingt Katharina Rupp auf überzeugende Weise, das Geschehen in die aktuelle Gegenwart zu versetzen, ohne dass dabei die Sprache und die dramatische Wucht der ibsenschen Vorlage geschmälert würden. Zudem verfügt sie über ein Ensemble, dem die Rollen wie auf den Leib geschneidert erscheinen. Das alles hat zur Folge, dass das Publikum sich unmittelbar angesprochen fühlt und sich in die Aufführung einbringt, als nähme es an einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Demokratie in der Schweiz teil. Die Aufführung ist noch bis Ende Februar in Solothurn und Biel zu sehen.
Peer Gynt, Henrik Ibsen,
Theater Luzern, Regie: Thorleifur Örn Arnarsson, Nachtkritik
vom 14. Oktober 2010
Thorleifur Arnarsson und der Dramaturg Ulf Frötzschner haben Ibsens Riesenstoff in einer stringenten Fassung überzeugend gebändigt und für das "Gyntsche Heer von Wünschen, Lüsten und Begehr" einen lebendigen Kosmos entwickelt: Vytautas Narbutas' ausdrucksstarker Bühnenraum, ein einst eleganter Salon, in dem der Stuck bröckelt und das Dach leckt, wird zu Meer, Bergen und Haus. Der Abend besticht mit sinnlicher Kraft, mitreißender Energie und einer einzigartigen, auch Gérard Clevens Beleuchtung zu verdankenden Atmosphäre.
Perfect Happiness, Charles den Tex
und Peter de Baan,
Theater Biel-Solothurn, Regie: Max Merker, Premiere: 19. September 2010, Kritikenrundschau
Intelligentes Stück am harten Puls der Zeit - menschliche Machenschaften auf dem heutigen Wertschriften- und Liebesmarkt. Irgendwo zwischen präzisem Klamauk und düstersten Abgründen angesiedelt und ebenda auch inszeniert, vor allem aber sehr genau interpretiert und mit überzeugender Spiellust an die Zuschauerin getragen von einem begeisterten Ensemble. (Zu dieser Inszenierung gibt es keine Nachtkritik).
Prinz Friedrich von Homburg,
Heinrich von Kleist,
Prinz-Regent-Theater Bochum, Regie: Sibylle Broll-Pape, Premiere: 26. Mai 2010,
Trailer
In der Inszenierung wird der Text überzeugend mit einem breiten Arsenal zeitgenössischer Ausdrucksmittel konfrontiert, ohne dabei gewollt zu wirken. Vielmehr wird eben dadurch die Zerrissenheit von Kleists Hauptfigur zwischen Patriotismus und Liebe deutlich und der Kleist'sche Witz geht auch nicht verloren. (Zu dieser Inszenierung gibt es keine Nachtkritik).
Shoot / Get Treasure / Repeat,
Mark Ravenhill,
Theater Osnabrück, Regie: Marie Bues, Nachtkritik
vom 11. Dezember 2010
Die Vielzahl an Szenen aus Ravenhills "Shoot / Get Treasure / Repeat" hat Regisseurin Marie Bues geschickt und mit Mut zum Experiment teilweise neu kombiniert. In vielen Bildern findet sie ihren eigenen, stets mitreißenden Zugang zu dem Stück und scheut dabei weder Humor noch krassen Realismus. Eine bemerkenswert virtuose Inszenierung.
Testament, She She Pop nach
William Shakespeares King Lear,
Hebbel am Ufer Berlin, Regie: She She Pop, Premiere
am 25. Februar 2010, Fernsehbeitrag
Wie viel Privatheit verträgt die Bühne? Sehr viel, man kann es hier erleben. Für alle, die sich nicht weglügen wollen über das, was zu erwarten steht, die versuchen, Alter, Siechtum, Schmerz und Demenz bei den eigenen Lieben ins Aug' zu sehen - für alle, die im Theater etwas erleben wollen, was mit uns zu tun hat, unmittelbar, erbarmungslos, lästig und unglaublich berührend, ist "Testament" die Aufführung der Wahl.
Herzlichen Glückwunsch!
nachtkritik.de gratuliert den Produktionsteams aller ausgewählten Inszenierungen, gratuliert den Autoren und Autorinnen sowie den Theatern, an denen diese Aufführungen entstanden.