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Konsum von Gewaltmedien ist wichtiger Verstärkungsfaktor für aggressives Verhalten von Jugendlichen

Konsum von Gewaltmedien ist wichtiger Verstärkungsfaktor für aggressives Verhalten von Jugendlichen

17.11.2011 Berner Studie über die soziale Integration Jugendlicher zeigt gravierende Unterschiede.


Bild: http://de.wikipedia.org/wiki/Ego-Shooter

Jugendliche wachsen in sehr unterschiedlichen Lebensverhältnissen und Alltagswelten auf, mit denen je typische soziale Ressourcen und Belastungen verbunden sind. Die von der Berner Fachhochschule in Zusammenarbeit mit drei Berner Gemeinden durchgeführte Studie beleuchtet die Sozialisationsbedingungen Jugendlicher und zeigt, dass durch Ausrichtung der Jugendarbeit auf verschiedene Zielgruppen die Integrationschancen verbessert werden können.

Insgesamt vermitteln die erhobenen Daten ein positives Bild der Eltern-Kind-Beziehung: Die Jugendlichen fühlen sich emotional geborgen und in privaten und schulischen Belangen von ihren Eltern unterstützt. Allerdings wächst ein ziemlich grosser Teil der befragten Jugendlichen unter eher schwierigen Bedingungen heran. Es fällt auf, dass bei Jugendlichen, die aus binationalen Partnerschaften stammen, der Anteil alleinerziehender Eltern um mehr als zwei Drittel höher ist als im Durchschnitt. Im Weiteren sind die materiellen Verhältnisse zwischen Einwandererfamilien (erste und zweite Generation) und Schweizer Familien deutlich unterschiedlich.

Bedenklich stimmt der Befund, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund viel häufiger elterlicher Gewalt ausgesetzt sind: Ein Drittel gibt an, von Vater oder Mutter schon einmal geohrfeigt worden zu sein und 8 Prozent meinen sogar, von den Eltern schon einmal richtig verprügelt worden zu sein, während dies bei Schweizer Jugendlichen «nur» 16 Prozent (geohrfeigt) bzw. 0.9 Prozent (verprügelt) betrifft.

Mangelnde Kontrolle durch die Eltern

Die soziale Kontrolle durch die Eltern hat einen massgeblichen Einfluss auf das Verhalten der Kinder. Die Studie zeigt, dass, wo elterliche Kontrolle fehlt, das Risiko für zahlreiche sozial unerwünschte Verhaltensformen der Jugendlichen steigt: Dazu gehört insbesondere ein erhöhter Suchtmittel- und Drogenkonsum, häufigere Geldwetten, Tragen von verbotenen Waffen (Messer, Schlagringe usw.), häufigere kriminelle Handlungen und häufigere Mitgliedschaft in delinquenten Cliquen.

Dieser Zusammenhang ist insofern relevant, als ein beachtlicher Teil der Eltern nur wenig Kontrolle ausübt: Jeder vierte Jugendliche berichtet, dass die Eltern oft nicht wissen, wo und mit wem ihr Kind unterwegs ist. Auf die Frage, wer unter hoher Kontrolle steht und wer nicht, geben die Daten eine klare Antwort: Knaben werden signifikant weniger kontrolliert als Mädchen und Jugendliche mit Migrationshintergrund werden weniger kontrolliert als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Am geringsten ist die Kontrolle bei Knaben aus Einwandererfamilien. Jugendliche, die nur mit einem Elternteil aufwachsen, in einer so genannten Patchwork-Familie leben oder aus Haushalten mit einem tiefen sozioökonomischen Status kommen, werden ebenfalls geringer kontrolliert.

Gewaltmedien und aggressives Verhalten

Auch der Medienkonsum entzieht sich zu einem grossen Teil der elterlichen Kontrolle und steht ebenfalls mit Problemverhalten in Zusammenhang. Die Studie zeigt, dass bei Jugendlichen ein stark ausgeprägter Konsum von Internet, Computer- und Videospielen oder Fernsehen mit einer Reihe von Risikotendenzen wie z.B. Suchtmittelkonsum und Delinquenz korreliert. Entscheidend ist dabei die Art der konsumierten Inhalte.

Jugendliche, die Computer- oder Videospiele mit gewalttätigen Inhalten konsumieren («Ego-Shooter»), weisen im Vergleich zu denjenigen, die dies nicht tun, ein drei Mal höheres Risiko auf, selbst Waffen zu tragen (Messer, Schlagring, Schlagstock, Schusswaffe), und gar ein sechs Mal höheres Risiko, bereits einmal ein Gewaltdelikt nach Strafgesetzbuch begangen zu haben. Die vorliegenden Daten erlauben zwar keine Aussagen zu ursächlichen Zusammenhängen, deuten aber doch darauf hin, dass der Konsum von Gewaltmedien ein wichtiger Verstärkungsfaktor darstellt.

Fünf Jugendtypen als Grundlage für präventive Massnahmen

Je nach Sozialisationsbedingungen in Familie, Schule und Freizeit gestalten sich die sozialen Ressourcen und Problemlagen der Jugendlichen unterschiedlich. Um die charakteristischen Merkmale zu erfassen, wurden unter Einsatz statistischer Analyseverfahren fünf Jugendtypen gebildet:

  • Sozial Desintegrierte: sehr belastete Familienkonstellation, geringe Schulleistung, überhöhtes Selbstbild und Durchsetzungskraft, vorwiegend in grösseren Cliquen und Gangs sozialisiert
  • Schulisch Auffällige: intaktes Familienleben, Freizeitverhalten unproblematisch, trotz gutem Schulniveau sehr kritische Haltung gegenüber ihrer Leistung, unklares Berufsziel, schwierige Beziehung zu Mitschülerinnen und Mitschülern, konflikthaftes und wenig vertrauensvolles Verhältnis zu Lehrpersonen
  • Soziale Aussenseiter: strenge Kontrolle, gehorsam, häufige Wohnortswechsel, fragiles soziales Netzwerk, keine gemeinschaftliche Aktivitäten mit anderen Jugendlichen
  • Nonkonformisten: elterliche Zuwendung und Unterstützung, gute Schulleistungen, klare berufliche Perspektiven, Distanz zu populären Freizeitangeboten, Freizeitgestaltung auf eigene Initiative
  • Sozial Engagierte: häufig weiblich, enge Beziehung zu Eltern und Lehrpersonen, sehr gute Schulleistungen, Freizeitaktivitäten in traditionellen Sportvereinen und Jugendorganisationen, hohes soziales Engagement

Zielgruppenorientierte Prävention

Ein zentraler Befund der Studie ist es, dass aufgrund der spezifischen Ressourcen und Problemlage jedes Jugendtypus entsprechend angepasste Massnahmen der Jugendhilfe angezeigt sind. Die vom Gesetzgeber im neuen Jugendförderungsgesetz, das per 1. Januar 2012 in Kraft tritt, vorgesehene Erweiterung der Angebote der Jugendorganisationen gerade um offene und flexible Formen, sollte daher nicht auf Kosten der hergebrachten Strukturen realisiert werden. Vielmehr braucht es in der Jugendarbeit eine der Komplexität der Jugendtypen korrespondierende, sprich zielgruppenorientierte Vielfalt präventiver Massnahmen, will man die Integrationschancen der heranwachsenden Generation nachhaltig verbessern.

Ausführlichere Informationen zu den Studienergebnissen finden sich im Schlussbericht der Studie.

bfh

Kontakt und weitere Informationen:

Christoph Urwyler

Telefon +41 31 848 36 94

E-Mail christoph.urwyler@bfh.ch

www.soziale-arbeit.bfh.ch

Prof. Dr. crim. Jachen C. Nett

Telefon +41 31 848 36 86

E-Mail jachen.nett@bfh.ch

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