Für morgen Dienstag: Aufruf zu einer weltweiten Lesung für Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo
19.03.2012 Für den 20. März 2012 ruft das internationale literaturfestival Berlin zur weltweiten Lesung der Prosa und Lyrik von Liu Xiaobo (Bild) auf. Knapp einhundert Institutionen, darunter Radio- und Fernsehsender in aller Welt, beteiligen sich an dieser Initiative bzw. berichten darüber. In der Schweiz machen u.a. der PEN Suisse Romand in Genf und das Literaturhaus in Zürich mit.
Foto: http://de.wikipedia.org/wiki/Liu_Xiaobo
Vor drei Jahren wurde Liu aus seiner Wohnung in Peking abgeholt und inhaftiert. Über ein Jahr lang musste er auf eine Entscheidung des Gerichts warten; für sein Vergehen - "Anstachelung zur Subversion gegen die Staatsmacht" - verurteilte man ihn zu elf Jahren Gefängnis.
Nach der Ankündigung, dass Liu den Friedensnobelpreis erhalten würde, stellten die Behörden seine Frau, die Dichterin und Fotografin Liu Xia, unter strikten Hausarrest. Seit dem 18. Oktober 2010 ist sie verschwunden. Sie wurde weder privat noch öffentlich gesehen und ist weder telefonisch noch via Internet erreichbar.
Liu Xiaobo war vor seiner letzten Festnahme 2008 drei Mal in Haft. Von 1996 bis 1999 musste er an einem Programm der "Umerziehung durch Zwangsarbeit" teilnehmen. Viele seiner Gedichte entstanden im Gefängnis. Er widmete sie alle seiner Frau Liu Xia.
In seiner Jugend verschlang Liu Bücher über die westliche und chinesische Philosophie und Literatur, eine Erfahrung von grosser Bedeutung für seine lyrischen Arbeiten. Von Konfuzius bis Kant, von Sima Qian bis Van Gogh oder Jesus: für den jungen Liu Xiaobo kannte Wissen keine Grenzen.
Seine eigenen Werke zählen seit den 1980er-Jahren zu den wichtigsten Einflüssen für junge Menschen in China. Als das Land seine Artikel und Bücher zensierte und verbot, publizierte er seine Texte auf Websites im Ausland. Seine Publikationen erschienen in Hongkong, Taiwan und den USA.
Lius expressiver und poetischer
Stil, seine messserscharfe Kritik und seine nachdrückliche Ironie bewegten
sich in den letzten Jahren stärker in Richtung einer nachdenklichen und
objektiven Prosa. Der einstige Aktivist und Agitator wurde zum Beobachter und
Analytiker.
Nach dem Beispiel der tschechoslowakischen Charta 77 wählten Liu Xiaobo und seine chinesischen Kollegen den rationalen und friedlichen Weg, um ihrer Sorge um die Zukunft Chinas in einem eigenen Manifest - der Charta 08 - Ausdruck zu verleihen.
Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Menschenrechte sind
universelle Werte. Sie sind die Norm in einer modernen Gesellschaft und kein
Widerspruch zu den offiziellen Verlautbarungen der chinesischen Regierung, die
Werbung für Chinas Rechtsstaatlichkeit macht. Sowohl in der Verfassung als auch
in den unterzeichneten internationalen Vereinbarungen werden das Recht der
freien Rede, Versammlungs- und Meinungsfreiheit garantiert. Die Anschuldigung
Lius wegen "Anstachelung zur Subversion gegen die Staatsmacht" ist also ein
Witz, und ein Schlag ins Gesicht des Landes selbst.
Das Gegenteil ist wahr, wie die über 800 Artikel, die Liu in den vergangenen zehn Jahren schrieb, belegen. In seinem 2005 erschienenen Buch "Ziviles Erwachen" erklärt Liu, dass die Reform Chinas nicht von oben nach unten sondern nur von unten nach oben gelingen kann. Die Reform geht nicht von der Regierung aus, sondern von der Zivilgesellschaft, von den Menschen an der Basis. Die ewige Konfrontation zwischen BürgerInnen, Bauern, Bäuerinnen, ArbeiterInnen und staatlichen Kräften hat ein Bewusstsein bei den Menschen im Land entstehen lassen. Heute kennen sie ihre Grundrechte.
Wie Liu sagt: "Der Prozess des Wandels verläuft
langsam aber kontinuierlich. Er lässt sich nicht durch die radikale Forderung
der Regierung nach einer Umgestaltung der Gesellschaft erreichen. Die aktuelle
Tendenz, die Bewegung, die Veränderung in der Gesellschaft selbst generiert,
drängt auch die Herrschenden langsam aber kontinuierlich zur Veränderung."
Liu Xiaobo ist nicht nur Kämpfer für Meinungsfreiheit und Demokratie, sondern
auch ein Humanist, den das Regime nicht dulden kann. Denn er fordert nicht nur
Reform und Demokratie für China, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der
chinesischen Geschichte und ein Ende der Einparteiendiktatur. Er legt den
Finger in die Wunde. Genau deshalb fürchtet ihn die KPC, die diesen Agitator
hinter Gittern sehen will.
Das Ziel der weltweiten Lesung ist es, Liu Xiaobos Werke einem grösseren
Publikum bekannt zu machen und die Welt daran zu erinnern und dagegen zu
protestieren, dass ein Humanist, ein Freiheitskämpfer, ein begnadeter
Schriftsteller und Nobelpreisträger nach wie vor in China gefangen gehalten
wird.
Für den 20. März 2012 ruft das internationale literaturfestival Berlin zur
weltweiten Lesung der Prosa und Lyrik von Liu Xiaobo auf. Knapp einhundert
Institutionen, darunter Radio- und Fernsehsender in aller Welt, beteiligen sich
an dieser Initiative bzw. berichten darüber.
Die Texte, die bei der weltweiten Lesung vorgetragen werden, liegen in den Versionen Chinesisch, Afrikanisch, Arabisch, Bosnisch, Deutsch, Englisch, Esperanto, Finnisch, Französisch, Hebräisch, Italienisch, Mazedonisch, Niederländisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Schwedisch und Spanisch vor.
Bitten senden Sie eine Mail an
worldwidereading@literaturfestival.com,
wenn Sie sich als Institution oder Einzelperson unserer Initiative anschliessen möchten.
-> Hier finden Sie eine Liste aller teilnehmenden Institutionen (Stand 13.03.2012)
-> Hier finden Sie eine Liste aller unterzeichnenden Personen (Stand 09.03.2012)
Quelle:
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In der Schweiz beteiligen sich der PEN Suisse Romand in Genf
http://www.penromand.ch/index.html
und das Literaturhaus in Zürich