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"ALLES IST WECHSELWIRKUNG": DAS UNVERÖFFENTLICHTE BUCH VON ALEXANDER VON HUMBOLDT

"ALLES IST WECHSELWIRKUNG": DAS UNVERÖFFENTLICHTE BUCH VON ALEXANDER VON HUMBOLDT

30.08.2024 Ein von Alexander von Humboldt entworfenes, aber nicht mehr veröffentlichtes Werk wird an der Universität Bern herausgegeben: "Es enthält eine wegweisende Studie zu globalen Meeresströmungen, die angesichts des versiegenden Golfstroms aktueller denn je ist.", schreibt die Uni Bern.


Illustration: Eine Karte in Heinrich Berghaus’ Physikalischem Atlas zu Alexander von Humboldts Kosmos (1845) zeigt den heute sogenannten atlantischen Golfstrom und den pazifischen Humboldtstrom. Quelle: Der warme Meeresstrom des Atlantischen und der kalte Strom des Großen Oceans in Parallele nach geographischer Lage und Ausdehnung dargestellt. Nebst einer vergleichenden Übersicht d. Temp. des Perustroms. In: Heinrich Berghaus: Physikalischer Atlas. 2 Bde. Gotha 1845/48, Tafel 2.6. © zvg

Tafel "El Altar" aus dem Bildatlas Umrisse von Vulkanen (1853), gezeichnet von Karl Friedrich Schinkel nach einer Skizze von Humboldt. Quelle: Alexander von Humboldt: Umrisse von Vulkanen aus den Cordilleren von Quito und Mexico. Ein Beitrag zur Physiognomik der Natur. Stuttgart und Tübingen: Cotta 1853. © zvg

Illustration: Tafel "El Altar" aus dem Bildatlas Umrisse von Vulkanen (1853), gezeichnet von Karl Friedrich Schinkel nach einer Skizze von Humboldt. Quelle: Alexander von Humboldt: Umrisse von Vulkanen aus den Cordilleren von Quito und Mexico. Ein Beitrag zur Physiognomik der Natur. Stuttgart und Tübingen: Cotta 1853. © zvg

Detektivarbeit

Gegen Ende seines Lebens fasste Alexander von Humboldt (1769–1859) den Plan, eine Sammlung seiner bedeutendsten Arbeiten in zwei Bänden herauszubringen: Kleinere Schriften. Geognostische und physikalische Erinnerungen. Der erste Band erschien 1853, der zweite blieb unveröffentlicht. In Humboldts Nachlass in Berlin und in Krakau sowie im Archiv des Cotta-Verlags in Marbach sind jedoch Entwürfe erhalten, überarbeitete Handschriften und korrigierte Druckfahnen, zusammen mit Briefen und weiteren Materialien zur geplanten Veröffentlichung.

Aus ihnen lässt sich in einer Detektivarbeit, die durch drei Länder führt, das vollständige Werk nach Humboldts Plänen zusammenstellen.

Die Berner Wissenschaftler Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich erfassen die Manuskripte und Druckvorlagen mit Humboldts handschriftlichen Korrekturen, um eine textgetreue Lesefassung herzustellen, mit Kommentaren und einer Einführung zu versehen und als Buch zu veröffentlichen – mehr als 170 Jahre, nachdem es eigentlich hätte erscheinen sollen.

"Alexander von Humboldt ist der seltene Fall eines Autors, bei dem trotz seiner grossen Bedeutung noch viel zu entdecken ist", sagt Oliver Lubrich, Professor für Komparatistik an der Universität Bern.

Ein Schatz im Archiv

Humboldt wählte Aufsätze aus, die ihm besonders am Herzen lagen und von wissenschaftsgeschichtlichem Interesse waren, zum Beispiel den Bericht seines berühmten Aufstiegs auf den Chimborazo, einen Essay über indigene Mythen auf der Hochebene von Bogotá und eine Studie über die nächtliche Verstärkung des Schalls, die heute als "Humboldt-Effekt" bekannt ist.

Für den zweiten Band hatte er Beiträge über die globale Verteilung der Temperatur, vergleichende Gebirgsforschung und Vulkanismus vorgesehen. Ergänzt wird die Sammlung durch den Bildatlas Umrisse von Vulkanen aus den Cordilleren von Quito und Mexiko (1853).

Er enthält zwölf Tafeln, darunter die letzte Zeichnung des Architekten Karl Friedrich Schinkel, eine Darstellung des Andenvulkans El Altar nach einer Skizze von Humboldt.

Was wusste Humboldt vom Versiegen des Golfstroms?

Im Zentrum des nicht verwirklichten zweiten Bandes steht eine umfassende Studie "Über Meeresströmungen", an der Humboldt jahrzehntelang gearbeitet hatte, ohne sie am Ende in den Druck geben zu können. Dabei handelt es sich um eine Pionierforschung der Meeresökologie.

"Seit wir wissen, dass der menschengemachte Klimawandel den Golfstrom gefährdet, erhält Humboldts fächerübergreifende Analyse eine unheimliche Bedeutung", sagt Lubrich. Humboldt erforscht den – später nach ihm benannten und von Max Ernst gemalten pazifischen Strom vor der Westküste Südamerikas im Vergleich mit dem atlantischen Golfstrom, um die Funktion der Meeresströmungen für das Weltklima zu begreifen.

Sein Naturverständnis hat Humboldt in drei Worten zusammengefasst: "Alles ist Wechselwirkung."

Im Austausch mit Naturwissenschaftlerinnen vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven soll Humboldts Studie über Meeresströmungen nun ökologisch erschlossen werden. Thomas Nehrlich, der 2023 Humboldts "Schriften zum Klima" herausgegeben hat, erklärt: "Alexander von Humboldt macht Zusammenhänge deutlich, deren Tragweite wir erst heute erkennen können."

Quellen / Mehr:

https://file-eu.clickdimensions.com/nexplorech-aemho/files/20240829_medienmitteilung_unibe_humboldt_meeresstroeme.pdf

https://mediarelations.unibe.ch/medienmitteilungen/2024/medienmitteilungen_2024/humboldts_unveroeffentlichtes_buch/

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Die erste Seite des Aufsatzes "Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome» in der Korrekturfahne. Quelle: Archiv des Cotta-Verlags im Deutschen Literaturarchiv Marbach, Signatur: COTTA: Manuskripte Humboldt. © zvg

Illustration: Die erste Seite des Aufsatzes "Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome» in der Korrekturfahne. Quelle: Archiv des Cotta-Verlags im Deutschen Literaturarchiv Marbach, Signatur: COTTA: Manuskripte Humboldt. © zvg

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