DER GOTTFRIED-KELLER-PREIS 2016 GEHT AN PIETRO DE MARCHI
15.08.2016 Der Gottfried Keller-Preis ist einer der angesehensten Literaturpreise der Schweiz. Der 1921 gegründete Preis wird alle zwei bis drei Jahre von der Martin Bodmer-Stiftung an Autoren oder Autorinnen verliehen. Die Stiftung vergibt auch Ehrengaben für besondere literarische Leistungen wie Übersetzungen, Herausgaben, wissenschaftliche Arbeiten usw. Eine Bewerbung ist nicht möglich.
Foto: http://www.literaturpreise.ch/de/jury/jurymitglieder/pietro-de-marchi/
38. Preis: Pietro de Marchi
Der Gottfried-Keller-Preis 2016 geht an Pietro De Marchi (Bild) für seinen neuen Gedichtband La carta delle arance, der im kommenden Oktober erscheinen wird.
Das Luftig-Weite seiner Lyrik, die Abstecher in die Tiefen der eigenen und der universellen Geschichten seiner Erzählprosa, die grosse Gabe zuzuhören, von der seine Essays zeugen - all diese Instrumente, die De Marchi in seinen vorangegangenen Publikationen zunehmend verfeinert hat, geraten hier in Resonanz und bilden zusammen eine reife, klare und zugleich klangvolle Stimme. Sie ist leicht, ja, aber eher in dem Sinn, dass sie von der Erde abheben, in die Höhe fliegen will. Auch als spielerisch könnte man sie bezeichnen, doch ist es ein Spiel mit dem Feuer - mit den Irrlichtern der Verstorbenen, mit Stahl und Feuer der Geschichte, mit der Wärme des Lebens.
Eine ungewöhnliche Stimme der italienischsprachigen Lyrik: Die Sprache wie auch viele der Bezüge, seine Meister und die vornehmlich in der Provinz gelegenen besuchten Orte sind Italienisch. Gleichzeitig ist die Stimme aber reich an französischen, deutschen und englischen Einflüssen, an Übersetzungen, Rhythmen und Liedern. Sie ist der Arbeit mit der Form gegenüber genauso offen wie der Prosa, der Vermischung von Genres, dem Zusammenprall von Realität und Fiktion. Eine lebendige Stimme, die wie alles Lebendige nach und nach wächst, die atmet, schweigt, sich wandelt und erneut zu Wort meldet.
Vanni Bianconi
Die Martin Bodmer Stiftung verleiht den 38. Gottfried Keller-Preis an Pietro De Marchi am 22. Oktober 2016 in der Kapelle des Kulturhauses Helferei in Zürich.
EHRENGABE 2016: AJAR (Association de jeunes auteur(e)s romandes et romands)
Mit der Ehrung von Vivre près des tilleuls, dem gemeinschaftlich verfassten Roman von AJAR (Association de jeunes auteur(e)s romandes et romands), will die Jury eine originelle Vorgehensweise auszeichnen:
Am Anfang stand die Idee im Raum, gemeinsam einen Roman in einer Nacht zu schreiben. Zunächst wurde mit Esther Montandon (1923-1998) eine Autorin erfunden und mit einer Biographie versehen. Schliesslich suchte sich AJAR ein Thema aus, das möglichst weit von der eigenen Realität entfernt war: die Geschichte vom Verlust eines Kindes, angesiedelt in den 1960er-Jahren, als noch kein Mitglied des Kollektivs geboren war.
Ziel war es, die durchlässigen Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion zu erkunden. So hat sich aus einem scherzhaften Gedanken eine Liebeserklärung an die Literatur entwickelt. Der entstandene Roman ist weit mehr als das zeittypische Spiel, im Kollektiv Texte zu verfassen: das zeigt die Begeisterung sowohl eines der grossen französischen Verlagshäuser als auch der Jury des Gottfried Keller-Preises. Diese möchte AJAR zu weiteren gemeinsamen literarischen Experimenten ermutigen.
Isabelle Rüf
Die Martin Bodmer Stiftung verleiht die Ehrengabe 2016 an AJAR am 22. Oktober 2016 in der Kapelle des Kulturhauses Helferei in Zürich.
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