DER DEUTSCHE JAZZMUSIKER UND KÜNSTLER PETER BRÖTZMANN IST GESTORBEN

23.06.2023 Der am 6. März 1941 in Remscheid geborene deutsche Jazzmusiker, Maler, Grafiker, Designer und Objektkünstler Peter Brötzmann (Bild) ist am 22. Juni 2023 in Wuppertal gestorben. "Von allen Jazzinnovatoren ist er derjenige, der am radikalsten mit allen Traditionen gebrochen hat – nicht nur des Jazz, sondern des Musizierens überhaupt" (E.D. Fränzel). Er war – aus der Fluxusbewegung kommend – ein experimentierfreudiger Saxofonist, der gelegentlich auch Klarinette sowie Tárogató spielte. Insbesondere dem Basssaxofon – einem sonst eher selten eingesetzten Instrument – wurde durch Brötzmann neue Beachtung im Jazz geschenkt. Für Brötzmanns markante und energetische Spielweise entstand in Free-Jazz-Kreisen der Begriff "brötzen". Auf dem New Yorker Vision Festival 2011 erhielt er den Lifetime Achievement Award. Im selben Jahr wurde er für sein Lebenswerk mit dem Deutschen Jazzpreis ausgezeichnet. 2022 wurde ihm von der Jury des Preises der deutschen Schallplattenkritik der Ehrenpreis zugedacht als einer "Persönlichkeit aus der Musikwelt, die in ihrem Wirkungskreis neue Massstäbe gesetzt hat, ihren individuellen Weg ging und Hörgewohnheiten veränderte." (*)

Bild: Peter Brötzmann, 2018 - Foto: Harald Krickle (Ausschnitt) - Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Peter_Br%C3%B6tzmann-0909.jpg

Sie nannten ihn Machine Gun

Peter Brötzmann galt als radikalster Vertreter des europäischen Freejazz. Sein Energyplaying holte aus dem Saxofon maximale Power.

Ursprünglich wollte er Maler werden, dann studierte er Grafik. In einer Galerie lernte er den Fluxuskünstler Nam Jun Paik kennen und wurde dessen Assistent. Nach Happenings reparierte Brötzmann etwa Paiks präpariertes Klavier. Von dem Koreaner lernte Brötzmann, wie wichtig es ist, in allen Belangen künstlerische Unabhängigkeit zu bewahren, was ihn später in seiner Haltung als Musiker bestärkte.

Julian Weber

https://taz.de/Freejazzsaxofonist-Peter-Broetzmann-gestorben/!5942678/

Der sanfte Wüterich

Er war der lauteste, aggressivste, ätzendste, rücksichtsloseste, radikalste, avantgardistischste Jazzmusiker auf dem Kontinent. Was er machte, war – wie man es dem Titel einer Aufnahme von 1976, an der er mitwirkte, entnehmen kann: "Ungesetzlicher Krach". Bei Auftritten befand er sich immer im Ausnahmezustand. Die Schallplatte, mit der er erstmals die Öffentlichkeit schockierte, trug den Titel: "Machine Gun". Da wurde Musik aus allen Rohren gefeuert.

Wolfgang Sandner

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/der-sanfte-wueterich-zum-tod-von-peter-broetzmann-18986095.html

Unter Hochdruck

Bis zuletzt empfand er die eigene Sterblichkeit als Zumutung, genauso wie sein chronisches Lungenleiden. Hin und wieder ging es dann nicht mehr, aber dann schrieb er an alle, die ihn gut oder ein bisschen kannten, trotzige E-Mails. Dass er mal wieder überlebt habe, dass er vielleicht ein wenig Geduld und Hilfe brauche. Zwanzig Jahre plagte ihn die Krankheit, die für einen Saxofonisten eigentlich das Ende seiner Berufung bedeutet hätte. Aber wenn man ihn in den vergangenen Jahren noch einmal auf der Bühne sah, wenn man sich die unzähligen Alben anhörte, die er veröffentlichte, merkte man ihm das nicht an. Dann war er immer noch und wieder dieser Kraftmensch mit den breiten Schultern und dem schweren Gang, wie seit Beginn seiner Laufbahnen (als Musiker und Künstler, Red.).

Andrian Kreye

https://www.sueddeutsche.de/kultur/nachruf-peter-broetzmann-jazz-saxofon-avantgarde-1.5961118?reduced=true

Frei im Spiel, frei im Denken

Sie nannten ihn Ekstaseveteran, Free-Jazz-Kaputnik, Improvisationsextremist, Lärmvandale oder Rohrreiniger vom Dienst. Mehr Spitznamen als Peter Brötzmann hat ganz sicher kein anderer deutscher Jazzmusiker bekommen.

Doch keines dieser Etiketten wurde dem Furor gerecht, mit dem er sich den Weg freigeblasen hat zu den archaischeren Schichten der Musik. Mit seinen Spalt- und Splitterklängen sprengte Brötzmann jedes interesselose Wohlgefallen. Radikaler als er hat kein anderer mit den Traditionen und Konventionen des Jazz gebrochen.

Gregor Dotzauer

https://www.tagesspiegel.de/kultur/zum-tod-von-peter-brotzmann-frei-im-spiel-frei-im-denken-10038133.html

Ein Vulkan ist erloschen

Er wirkte unzerstörbar. Bis zuletzt besaß das Saxofonspiel von Peter Brötzmann eine Vehemenz, Wildheit und eruptive Kraft, die niemals daran denken ließen, dass dieser Vulkan an geballter Energie einmal erlöschen könnte. Aber jetzt ist der Jazz-Gigant im Alter von 82 Jahren gestorben, wie der Deutschlandfunk unter Berufung auf die Agentin des Musikers am Freitag meldete.

Georg Spindler

https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-ein-vulkan-ist-erloschen-_arid,2098099.html

Alles wegblasen

Seine Musik war noch radikaler und lauter als die der Amerikaner: Der deutsche Saxofonist Peter Brötzmann hat mit seinem wütenden, glühenden, gewalttätigen Sound den europäischen Jazz befreit.

Tobias Rapp

https://www.spiegel.de/kultur/musik/peter-broetzmann-ist-tot-nachruf-auf-den-jazzmusiker-alles-wegblasen-a-c1e85d22-0fb1-4e1d-8eb4-6ae34caa6be0

Der unbeugsame Free Jazzer

"Brötzen" – dieses Verb wurde nach Saxophonist Peter Brötzmann benannt. Ein Wort, das so klingt, wie seine Musik: unnachgiebig und kompromisslos.

Roland Spiegel

https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/peter-broetzmann-tod-saxophon-free-jazz-100.html

Ein kompromissloser Jazzrevolutionär, der im Spätwerk aber zu leiseren Tönen fand

Er war ein deutscher Free Jazzer mit internationaler Reputation. Wo immer der Saxofonist Peter Brötzmann als furioser Improvisator auftrat, um Kraft und Lautstärke in den Dienst emotionaler Grenzerfahrungen zu stellen, waren die Säle voll. Der Wuppertaler galt als Berserker, der musikalische Barrieren niederriss und die freie, atonale Improvisation auf die Spitze trieb.

Christoph Wagner

https://www.nzz.ch/feuilleton/zum-tod-von-peter-broetzmann-ld.1606997

Peter Brötzmann, legend of free jazz, dies at 82

Saxophonist heralded for his ferocious yet beautifully expressive playing died peacefully in his sleep at home in Germany

Ben Beaumont-Thomas

https://www.theguardian.com/music/2023/jun/23/peter-brotzmann-legend-of-free-jazz-dies-at-82

Peter Brötzmann, Free Jazz Saxophonist, Dies at 82

Throughout his career, Brötzmann released over 50 albums as a bandleader. His most recent releases, Catching Ghosts and Naked Nudes, came out this past April and March, respectively. Brötzmann also recorded with Cecil Taylor, Keiji Haino, and more, and he was beloved by former President Bill Clinton, among many others.

Matthew Strauss

https://pitchfork.com/news/peter-brotzmann-free-jazz-saxophonist-dies-at-82/

Peter Brötzmann, the heart — and lungs — of European free jazz, dead at 82

Peter Brötzmann, a German saxophonist whose brash, tempestuous outpourings set an imposing standard for free improvisation, and helped define the terms for a postwar European avant-garde, died at his home in Wuppertal, Germany, on Thursday. He was 82. His death was confirmed in statements from TROST Records and FMP-Publishing, which both released his music.

Nate Chinen

https://www.npr.org/2023/06/23/1184005533/peter-brotzmann-the-heart-and-lungs-of-european-free-jazz-dead-at-82

Peter Brötzmann, machine à tube

«Comment pourrais-je jouer doucement alors que des gens meurent de faim en Ethiopie?» La formule brasse un peu large, mais elle résume bien la manière dont Peter Brötzmann, figure tutélaire de la scène free jazz brutaliste européenne, voulait faire de la musique. Le saxophoniste allemand est mort hier, 22 juin, à l’âge de 82 ans.

Philippe Simon

https://www.letemps.ch/culture/musiques/peter-brotzmann-machine-a-tube

Audios / Videos:

The Peter Brötzmann Octet - Machine Gun

https://www.youtube.com/watch?v=hxTZ2qA4brE

Free Jazz vs. Pop Jazz // WDR 1967 - Brötzmann vs. Doldinger

https://www.youtube.com/watch?v=rjwXaBbTA94

Peter Brötzmann Quartet - improvisation (1974/10/17) (1/3)

https://www.youtube.com/watch?v=dbVpx5-XYng

Peter Brötzmann Quartet - Jazzfest Berlin'95

https://www.youtube.com/watch?v=MHTDPx8LpuQ

Peter Brotzmann Nasheet Waits Duo, 2013