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"OUTSIDER ART UNTER DEM HALBMOND" - "PETER WIRZ: KONTINENT WIRZIANA"

"OUTSIDER ART UNTER DEM HALBMOND" - "PETER WIRZ: KONTINENT WIRZIANA"

13.05.2023 Ausstellungen im Open Art Museum St.Gallen, bis am 20. August 2023


Bild oben: Mehrdad Rashidi (*1963), Ohne Titel (Detail), undatiert, Courtesy Galerie Polysémie, Marseille - Foto: Schindler Digital

"Das 'Andere' in der Kunst" – Kulturdialoge der Outsider Art

Wie kaum einer anderen Kunst gelingt es der Outsider Art, existentielle sowie aktuelle gesellschaftliche Themen sichtbar zu machen. Gerade in ihrer Subjektivität vermag sie das Erleben sozialer Normen und Werke vor Augen zu führen. Die Ausstellung "Outsider Art unter dem Halbmond" ist die letzte der Trilogie "Das 'Andere' in der Kunst". Mit 25 KünstlerInnen aus dem Iran, aus Marokko, Syrien und der Türkei fragt sie nach Reflexen von Kultur, religiöser Prägung und Diversität in der Outsider Art.

Den KünstlerInnen aus dem Kulturkontext Islam steht die Dialogausstellung "Kontinent Wirziana" des Schweizer Art Brut-Künstlers Peter Wirz (1915–2000) gegenüber. Streng baut er sein System "Wirziana" auf christlichen Werten und abendländischer Heraldik auf und steht hier als Vertreter eines westeuropäischen Kunstverständnisses von Outsider Art. Mit seiner Welt "Wirziana" wendet sich Peter Wirz gegen seinen Vater, den bekannten Ethnologen Paul Wirz, der sich 'fremden' Kulturen der Südsee zuwandte. Stellvertretend sind einzelne Artefakte aus Papua-Neuguinea in die Ausstellung einbezogen.

Das Feld der Outsider Art ist heterogen und multikulturell. Sie ist nie eindeutig zu definieren, nie eindeutig zuzuordnen, nie eindeutig zu verorten – sie ist eine Atopie.

Die Ausstellungstrilogie zum 'Anderen' in der Kunst soll festgefahrene Denkmuster hinterfragen und anregen, zu neuen Zielen einer diversen – atopischen – Kunst aufzubrechen.

 Hamit Ait Dada (1929-2022, Morocco), untitled, undated, mixed media on paper, 29,7 x 21 cm

Bild: Hamit Ait Dada (1929-2022, Morocco), untitled, undated, mixed media on paper, 29,7 x 21 cm

"Outsider Art unter dem Halbmond"

Begriffe wie Art Brut und Outsider Art sind aus einem eurozentrisch geprägten Kunstverständnis hervorgegangen mit der Idee einer subversiven, unverbildeten Kunst als Gegenspieler zu "art culturel". Können diese Konstrukte auf andere Kulturkreise übertragen werden? Wie wird kulturelle Diversität innerhalb der Outsider Art berücksichtigt? Weniger ist Art Brut eine "global language", sondern die Kunstrezeption sucht nach einer globalen Sprache für ein Kunstschaffen, das abseits des Mainstreams entsteht.

In der Schweiz ist die Ausstellung "Outsider Art unter dem Halbmond" die erste, die Outsider Art aus islamisch geprägten Ländern thematisiert. Sie dient einer Wahrnehmung kultureller Kontexte und Einflussnahmen des Kunstschaffens und nicht etwa einer Nationalisierung der Künste oder einem "Neo-Orientalismus".

In Marokko hat sich in der kleinen Hafenstadt Essaouira mit einer jahrhundertealten Mischung aus arabischer, jüdischer, berberischer und subsaharischer Kultur fernab des Einflusses akademischer Kunst eine eigene kreative Szene autodidaktischer Kunst geformt, sodass von der "Schule von Essaouira" gesprochen wird. Kunstschaffende in Iran haben ihre eigenen Kontexte, die stark lokal geprägt sind. In Europa sind die KünstlerInnen bis auf Davood Koochaki, Samaneh Atef, Mehrdad Rashidi und Mohamed Babahoum kaum bekannt.

Eine Ausnahmesituation ist das Leben und Kunstschaffen im Exil. Mehrdad Rashidi (*1963) hat mit zwanzig Jahren aus politischen Gründen Iran verlassen und lebt inzwischen in Deutschland. Samaneh Atef (*1989) ist ein Schwerpunkt der Ausstellung gewidmet. Sie musste 2020, als sie nach ihrer Verhaftung wieder freigelassen wurde, aus dem Land fliehen und kam nach Lyon. Schon vor ihrer Flucht hat sie in Iran in innerer Emigration gelebt und in ihren Werken die Bedrängnis der Frau thematisiert. 2022 war sie zum Gespräch "Dissident Artists in Exile" an die documenta 15 eingeladen.

"Peter Wirz: Kontinent Wirziana"

"Es ist mir nur das schon ein Kreuz, dass ich mir selbst im Weg bin und es um mich herum
auch menscheln muss statt götteln."

Peter Wirz

Sein Leben

Peter Paul Wirz (1915–2000) ist Sohn des bekannten Ethnologen Paul Wirz (1892–1955). Zuerst lebt er vier Jahre bei einem Onkel in Goldach, anschliessend die meiste Zeit bei Tanten in Basel. Die Eltern führen ein bewegtes Leben, in das der schwierige Sohn nicht hineinpasst: Forschungsreisen, der Aufbau eines "Heims für Licht- und Sonnenmenschen" im Tessin und schliesslich der traumatische Tod der Mutter, die bei einem Bootsausflug der Familie ertrinkt.

Peter Wirz durchläuft verschiedene Erziehungsheime; Ausbildungs- und Arbeitsversuche scheitern. Er wird zunehmend verhaltensauffällig und 1938 wegen "Debilität" und "Psychopathie" entmündigt. Während des Zweiten Weltkriegs wandert der Vater mit seiner dritten Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn Dadi Wirz aus; Peter Wirz bleibt in der Schweiz zurück. 1948/49 bricht eine Psychose bei ihm aus, er kommt in die psychiatrische Anstalt Friedmatt und wird 1950 kastriert, was er in Zeichnungen thematisiert. Er arbeitet als Hilfsarbeiter und Gärtnergehilfe in der sozialmedizinischen Abteilung "Milchsuppe" und zieht dort 1973 in das neue Wohnheim.

Kontinent Wirziana

Im realen Leben erfährt Peter Wirz Ablehnung, Entmündigung und Ausgrenzung. In seiner Parallelwelt "Wirziana" kann er sich neu verorten. Er gestaltet sich ein System christlich-abendländischer Heraldik mit Wappen, Militärabzeichen, Nationalemblemen und Heiligenbildern. Eine Welt, in der er Bedeutsames erschafft und endlich Bedeutung erhält. Hier ist er der gefeierte "Monsieur le peintre" seiner eigenen Erzählung.

In Texten erläutert er seine künstlerischen Einfälle, schildert seine Träume, schreibt Verwandten, bei denen er sich zum Essen einlädt. In seiner Welt hat er Macht und fantasiert drastische Bestrafungsszenen. Er zeichnet sich ein Rüstzeug. Damit wendet sich Peter Wirz gegen den abwesenden, "entwirzten", übermächtigen Vater, der ihn fallen lässt und alles verkörpert, was ihm selbst nicht möglich ist, zu leben.

Der Vater durchbricht die Konventionen seiner Zeit, stürzt sich in das 'wilde' Leben, um in der 'fremden' Kultur der Südseestämme das vermeintlich 'Ursprüngliche', vor allem aber Freiheit zu suchen. Dem setzt der Sohn eine konservative, streng strukturierte "Wirz’sche" Hierarchie entgegen, die ihm als Gerüst dient.

Peter Wirz hat seit Mitte der 1930er-Jahre gezeichnet, aber ein grosser Teil seiner Arbeit ist zerstört oder verloren gegangen. Es ist dem Künstler-Bruder Dadi Wirz zu verdanken, dass rund 700 Zeichnungen erhalten sind, die meisten aus den 1950er-Jahren.

oam

Kontakt:

https://openartmuseum.ch/

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