"NOT MY CIRCUS, NOT MY MONKEYS. DAS MOTIV DES ZIRKUS IN DER ZEITGENÖSSISCHEN KUNST"
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13.09.2023 Ausstellung im Kunstmuseum Thun, vom 16. September bis am 3. Dezember 2023 - Vernissage am 15. September, 18.30 Uhr
Bild oben: © Francisco Sierra, Clown II (aus: Facebook), 2008, Öl auf Karton, 21 x 15.5 cm, Kunstmuseum Bern, Sammlung Stiftung GegenwART
Kathryn Andrews, Miriam Bäckström, Dieter Meier, Ugo Rondinone ... das Kunstmuseum Thun präsentiert Werke internationaler KünsterInnen, die sich mit dem Motiv des Zirkus befassen. Vor diesem Hintergrund untersucht die Gruppenausstellung aktuelle gesellschaftliche Themen und hinterfragt politische Strukturen.
Der Ursprung des Zirkus lässt sich auf das Ende des 18. Jahrhunderts zurückdatieren, wobei er damals noch in festen Gebäuden und vorwiegend in London zu finden war. Im 19. Jahrhundert waren Zirkusse als Massenphänomen im europäischen Grossstadtleben verankert. Zu den BesucherInnen gehörten VertreterInnen verschiedener Künste wie Literatur, bildende Kunst, Musik oder Film. So wirkten Zirkusmotive etwa in die naturalistische Malerei, die Neue Sachlichkeit, die Avantgarde oder in den Expressionismus hinein. Heute mag der Ort der sinnlichen Erlebnisse und Extreme wie ein Relikt aus vergangener Zeit erscheinen. Und trotzdem bedienen sich zeitgenössische KünstlerInnen noch immer des Repertoires der zirzensischen Formensprache. Sie nutzen das Motiv des Zirkus', um aufzuzeigen, dass dieser mit seiner Geschichte, seinem Repertoire und seiner Popularität bis heute nicht an Aktualität verloren hat.
Der Zirkus bietet auf der Mikro- wie auch der Makroebene eine Steilvorlage, um aktuelle gesellschaftliche Konflikte vorzuführen, Stigmatisierung zu entlarven, Machtstrukturen zu hinterfragen oder das Mensch-Tier-Verhältnis zu beleuchten. Der Zirkus ist ein Spiegel unserer Geschichte und unserer Gegenwart.
Bild: Istvan Balogh, Monkey with Lemon, 2009, Lambda-Print, 1–4, 60 x 40 cm - Courtesy der Künstler
Clowneskes Intermezzo
Ob lustig, traurig, herausfordernd, nachdenklich oder naiv – der Clown findet sich in zahlreichen künstlerischen Arbeiten. Unter anderem in der skurrilen und farbigen Welt von Beni Bischof aus St.Gallen. In Form einer interaktiven Skulptur lässt der Künstler die ZuschauerInnen zu Gipsklumpen erstarren und übt damit Kritik an der wachsenden Unterhaltungskultur.
Der Zürcher Künstler Istvan Balogh wiederum thematisiert die Überstimulation in der heutigen Gesellschaft und zeigt den Clown dabei als Opfer. Eine melancholische Stimmung evozieren die oft apathisch gestimmten Clowns des in New York lebenden Schwyzer Künstlers Ugo Rondinone, deren Schuhe sprichwörtlich an den Nagel gehängt werden. Die US-Künstlerin Kathryn Andrews wiederum lässt das Clownkostüm als melancholischen Schleier zurück, während die schwedische Künstlerin Miriam Bäckström eben jenes Kostüm aufgreift, um Fragen nach Authentizität und Identitätsstiftung zu stellen.
Tiere in der Arena
In der (Raub-)Tierhaltung zeigt sich das menschliche Bedürfnis nach Kontrolle und Ordnung besonders deutlich. Der jurassische Künstler Agustin Rebetez stellt das Machtverhältnis zwischen Bändiger und Gebändigtem auf brachiale Art und Weise auf den Kopf. Bei Yves Netzhammer aus Zürich steht der Affe als menschenverwandtes Wesen im Zentrum, das uns in unserer Überheblichkeit widerspiegelt.
Den/die ZirkusdirektorIn besiegt haben die Tierfiguren von Nicola Hicks aus London. Sie eigenen sich urbane, weggeworfene Gegenstände an, um darauf zu balancieren und damit sowohl auf die Verwüstung des Planeten als auch auf eine hoffnungsvolle Unbändigkeit und Beständigkeit der Natur hinzuweisen. Eine versöhnliche Geste lässt sich schliesslich in den Wandprojektionen der in Zürich lebenden Künstlerin Zilla Leutenegger erahnen: Sie verweist auf die kindliche Fantasie, in der sich Tier und Mensch auf Augenhöhe gegenübertreten können.
Bild: Michael Dannenmann, Fulgenci Mesters Bertran – Weissclown Gensi, 2016, C-Print, 39.5 x 29.3 cm - Courtesy der Künstler
Die Kunstwelt als Zirkus
Auch die Kunstwelt selbst wird in der Ausstellung metaphorisch mit dem Zirkus verknüpft: So bieten unter anderem die Collagen von Barbara Breitenfellner aus Berlin Einblicke in traumhafte Zustände, in denen der Zirkus stets mit hineinspielt. In ihrer langjährigen Auseinandersetzung überführt die Künstlerin das Zirkusmotiv immer wieder in die Welt der Kunst und entlarvt die Kunstwelt gar selbst als Zirkus.
In der Videoarbeit von Taus Makhacheva balanciert ein Seiltänzer in schwindelerregender Höhe und transportiert dabei Kunstwerke von einem Hochlandgipfel zum anderen. Der Protagonist selbst stammt aus Dagestan und damit aus einem Ort, der als Ursprung des Seiltanzes gilt und aus dem viele ZirkusartistInnen stammen. Mit dem Akt der Neuordnung hinterfragt die russische Künstlerin wortwörtlich die lineare Geschichtsschreibung. Metaphorisch steht der Balanceakt aber auch für die Geschichte einer Gegend, die dem Spannungsfeld zwischen Moderne und Tradition, Repräsentation und Unsichtbarkeit unterliegt.
Mit Werken von:
Kathryn Andrews, Miriam Bäckström, Istvan Balogh, Beni Bischof, Mona Broschàr, Barbara Breitenfellner, Michael Dannenmann, Latifa Echakhch, Nicola Hicks, Zilla Leutenegger, Taus Makhacheva, Dieter Meier, Yves Netzhammer, Tal R, Augustin Rebetez & Martin Zimmermann, Boris Rebetez, Ugo Rondinone, Niklaus Rüegg, Francisco Sierra, Norbert Tadeusz, William Wegman
Ko-Kuratorium: Helen Hirsch und Katrin Sperry
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation im HIRMER Verlag, München. Mit Beiträgen von: Helen Hirsch, Alisa Klay, Sarah Elena Müller, Manfred Niekisch, Astrid Sedlmeier, Mandy Abou Shoak, Brigit Stammberger, Katrin Sperry
kmt
Kontakt:
https://kunstmuseumthun.ch/de/ausstellungen/aktuell/
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Bild: Zilla Leutenegger, Ring of fire, 2012, Videoinstallation bestehend aus 1 Wandzeichnung (Acryl auf Wand), 1 Objekt (Metall) und 1 Projektion (Farbe, kein Ton, 11.42 min., Loop), ca. 237 x 100 x 50 cm - Courtesy die Künstlerin und Galerie Peter Kilchmann, Zürich/Paris - Foto: Bernhard Strahm