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"MENSCHEN, TIERE, GÖTTERWESEN - TEXTILE SCHÄTZE AUS DEM ALTEN PERU"

"MENSCHEN, TIERE, GÖTTERWESEN - TEXTILE SCHÄTZE AUS DEM ALTEN PERU"

20.05.2022 Sonderausstellung der Abgegg-Stiftung Riggisberg (BE), bis am 13. November 2022, täglich von 14 bis 17.30 Uhr


Bild oben: Detail einer Tunika. Peru, Nordküste, Chimú-Kultur, 11-15 Jahrhundert. Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 5731 - © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg).

In den Beständen der Abegg-Stiftung in Riggisberg befindet sich eine kleine, aber eindrucksvolle Sammlung von Textilien aus dem Alten Peru. Nun werden die interessantesten Stücke davon präsentiert zum ersten Mal in einer eigenen Sonderausstellung.

Zierborte, Peru, Südküste, frühe Nasca-Kultur, 1.–3. Jh. n. Chr., Stickerei in Baumwolle und Kamelidenwolle, Inv. Nr. 42 © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg)

Bild: Für die Herstellung der Textilien wurden vor allem Wolle und Baumwolle verwendet. Wolle lieferten Lamas und Alpakas, die auf den Hochebenen der Anden lebten. Baumwolle wurde in den Flusstälern der Küste angebaut. Dort lagen fruchtbare Oasen, die Landwirtschaft inmitten der Wüste erlaubten. | Zierborte, Peru, Südküste, frühe Nasca-Kultur, 1.–3. Jh. n. Chr., Stickerei in Baumwolle und Kamelidenwolle, Inv. Nr. 42 © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg).

Schon vor mehr als zweitausend Jahren wurden im Alten Peru Stoffe und Gewänder von grosser Vielfalt und Kunstfertigkeit geschaffen. Dass wir sie heute noch bewundern können, ist speziellen klimatischen und geografischen Bedingungen zu verdanken; denn erhalten geblieben sind die kostbaren Stücke im salzhaltigen Boden der Wüstengebiete an der peruanischen Küste. Geschützt vor Feuchtigkeit und Licht überdauerten sie die Zeitläufe zum einen als Weihegaben an die Götter. Zum anderen trugen die damaligen Bestattungssitten wesentlich dazu bei, dass die peruanischen Gewebe so zahlreich "überlebten". In der sogenannten Paracas-Kultur beispielsweise, die vom 8. bis 1. Jahrhundert v. Chr. existierte, wickelte man die Toten in Stoffbündel, die bis zu fünfzig Schichten umfassten. Ein Teil davon bestand aus reich verzierten Tuniken, Lendenschürzen, Kopftüchern, Röcken und Mänteln. In jüngeren Kulturen gab man den Verstorbenen Tongefässe mit, gefüllt mit wertvollen Gewändern. Als beeindruckende Zeugnisse längst untergegangener Welten bieten uns die Textilien einen Blick in eine ferne Vergangenheit.

Frühe Hochkulturen

Zunächst begeistern die Gewänder, Stoffe und Stickereien in der Ausstellung vor allem wegen ihrer ausdrucksstarken und rätselhaften Figuren, ihrer Buntheit, ihren stilisierten Tierdarstellungen und abstrakten Mustern. Darüber hinaus erzählen sie von den frühen Hochkulturen Perus, lange vor den Eroberungen und Zerstörungen der spanischen Truppen. Während der präkolumbischen Ära wurde Peru von einer Reihe teils sehr unterschiedlicher Herrschaften geprägt, die jedoch eine Gemeinsamkeit hatten: Aufwändig gestaltete Textilien spielten eine wichtige Rolle sowohl im Alltag wie auch im religiösen Zeremoniell und im Totenkult.

Die Ausstellung zeigt eindrückliche Objekte aus dem faszinierenden textilen Erbe jener Epochen, angefangen bei der bereits erwähnten Paracas- und der darauffolgenden Nasca-Kultur letztere geniesst wegen der nach ihr benannten riesigen Linienzeichnungen im Wüstenboden eine gewisse Popularität über in Laienkreisen kaum bekannte Zivilisationen namens Tiahuanaco, Huari, Sicán, Chimú und Chancay bis hin zu den berühmten Inka. Letztere herrschten von ca. 1430 bis zur 1532 erfolgten Ankunft der Spanier in Peru.

Stilisierte Tiere und comicartige Gestalten

Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut und beginnt mit reizvollen Stickereien aus der späten Paracas-Kultur, aus der sich in einem fliessenden Übergang die Nasca-Kultur entwickelte. Viele Textilien der Paracas-Zeit zeichnen sich durch lineare, oft streng geometrische Darstellungen aus. Einige rotgrundige Stickereien illustrieren dies bildhaft. Sie zeigen stilisierte, katzenartige Wesen, die mit wenigen geraden Strichen in schwarzer und gelber Wolle angedeutet werden. Erst bei genauerem Hinsehen realisiert man, wie raffiniert die Tiere ineinander verschachtelt sind. Anders verhält es sich mit den bunten Stickereien, die Menschen oder menschenähnliche Geschöpfe zeigen. Die Gestalten haben natürliche Formen, die sich deutlich vom Hintergrund abheben. Mit ihrer etwas plakativen Zeichnung erinnern sie an moderne Comicfiguren; so auch die untereinander angeordneten Männer auf einem ca. 90 cm langen Zierstreifen. Sie tragen Stirnband, Tunika, Lendenschurz und zudem eine auffällige Maske über den Augen. Von den Hüften hängen sogenannte Trophäenköpfe herab. Abgetrennte Menschenköpfe spielten in den Ritualen der Paracas- und der Nasca-Kultur offensichtlich eine wichtige Rolle, kamen sie doch in zahlreichen Bestattungen zutage. Die erbeuteten Schädel galten wohl als Beweis für kriegerischen Erfolg und Tapferkeit. Begleitet werden die Männer auf dem Zierstreifen von kleineren, genau gleich aussehenden Gesellen und von grossen, farbenprächtigen Vögeln. Die gesamte Darstellung bleibt für uns rätselhaft, denn trotz der gewalttätigen Attribute wirken die Kerle mit ihrem breiten Grinsen, den stämmigen Oberkörpern und dünnen Ärmchen irgendwie fröhlich und wie einer Art fernen Comicwelt entsprungen.

 Wirkereifragment, Peru, Zentralküste, Chancay-Kultur, 11.–15. Jh., Wirkerei in Baumwolle und Kamelidenwolle, Inv. Nr. 5740 © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg).

Bild: Zum Färben wurden verschiedenste Naturfarbstoffe benutzt. Besonders aufwändig war die Rotfärbung mit Cochenille. Der Farbstoff wurde aus getrockneten, zu Pulver gemahlenen Schildläusen erzeugt. Auch Blau war schwierig herzustellen. Es wurde in einem komplizierten Verfahren aus den Blättern des Indigostrauches gewonnen. | Wirkereifragment, Peru, Zentralküste, Chancay-Kultur, 11.–15. Jh., Wirkerei in Baumwolle und Kamelidenwolle, Inv. Nr. 5740 © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg).

Dreidimensionale Stickereien

In einer Vitrine gibt es eine Reihe von vielfarbigen, rundplastischen Zierborten zu bewundern. Einige zeigen geometrische Ornamente, die meisten aber kolibriartige Vögelchen, die mit ihren langen Schnäbeln an bunten Blüten saugen. Die Borten sehen aus wie gestrickt, sind jedoch in einer besonderen Sticktechnik gearbeitet. Ein Kurzfilm erklärt, wie man diese textilen Miniaturskulpturen hergestellt hat. Derartige Schmuckstreifen wurden oft als fransenähnliche Zierde an Umhänge und Tücher genäht.

Farbenfrohe Tuniken

Auf massgefertigten Ständern ausgestellt, bilden mehrere vollständig erhaltene Tuniken ein weiteres Highlight der Ausstellung. Die Tunika gehörte zusammen mit Rock und Lendenschurz zur klassischen Männertracht im Alten Peru. Sie war eher kurz und wurde ärmellos oder mit knappen Ärmelansätzen getragen. Die Seiten waren in der Regel geschlossen, weshalb diese Art von Kleidungsstück im Fachjargon nicht Poncho, sondern eben Tunika genannt wird. Als Halsöffnung diente ein senkrechter Schlitz.

Ein solches Gewand besteht in der Regel aus mindestens zwei zusammengenähten Stoffstücken. Zum Weben der Bahnen verwendete man oft ein Rückenband-Webgerät. Dabei wurde das eine Ende der Webkette um die Hüfte fixiert, das andere an einem Pfahl befestigt. So einfach die Webgeräte waren, so kunstvoll sind die damit hergestellten Stoffe. Ihre farbenfrohen Muster bestehen meist aus raffinierten Kombinationen von geometrischen Formen mit stilisierten Tieren oder menschenähnlichen Figuren. Viele der Stoffe wirken in Gestaltung und Farbgebung erstaunlich modern. Ein kurzes Video hilft, eines der Muster zu entschlüsseln: Es zeigt Katzenköpfe und Wellenmotive.

Wirkereifragment, Peru, Nordküste, Chimú-Kultur, 11.–15. Jh., Wirkerei in Baumwolle und Kamelidenwolle, Inv. Nrn. 5741 © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg)

Bild: Gewebt wurde meist mit einem Rückenband-Webgerät. Dabei wurde ein Ende der Kette mit einem Gürtel um die Hüfte fixiert, das andere an einem Pfahl aufgehängt. Darüber hinaus waren liegende, im Boden verankerte Webrahmen sowie breite vertikale Webstühle in Gebrauch, die von mehreren Personen bedient wurden. | Wirkereifragment, Peru, Nordküste, Chimú-Kultur, 11.–15. Jh., Wirkerei in Baumwolle und Kamelidenwolle, Inv. Nrn. 5741 © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg).

Fremde Federn

Den Abschluss der Ausstellung bilden zwei dicht mit bunten Federn besetzte Kleidungsstücke: ein Kopfschmuck und eine Tunika. Sie werden in das 15. oder 16. Jahrhundert datiert und der Chimú- oder Inka-Kultur zugeordnet. Die Federn wurden dem Muster entsprechend mit umgeknickten Kielen um einen Baumwollfaden gehängt, mit einem Knoten fixiert, und die Federschnur anschliessend auf dem Trägergewebe aufgenäht. Die Federn stammen vor allem aus den tropischen Gebieten der östlichen Anden und des Amazonasbeckens. Die hier ausgestellte Tunika wurde vielleicht bei Zeremonien getragen, die in einem Zusammenhang mit Wasser standen. Sie zeigt nämlich rote und grüne stilisierte Fische vor einem schimmernden schwarzbraunen Hintergrund. Beim unteren Abschluss sind vierbeinige Wesen in weissen Booten zu sehen. Sie tragen einen ausladenden Kopfputz und strecken ihre blaue Zunge heraus. Die Federtechnik ist so fein und kleinteilig gearbeitet, dass sowohl bei den Bootsfahrern wie auch bei den Fischen die Augen und sogar die Pupillen zu erkennen sind.

 Zierborte, Peru, Südküste, frühe Nasca-Kultur, 1.–3. Jh. n. Chr., dreidimensionale Stickerei in Baumwolle und Kamelidenwolle, Inv. Nr. 600 © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg)

Bild: Aus Peru sind technisch sehr variantenreiche Textilien erhalten geblieben. Bei den sog. Partialgeweben werden nicht nur die Schuss-, sondern auch die Kettfäden umkehrend geführt. Ganz anders hergestellt wurden schlauchförmige Stickereien, die vollplastische Figuren erzeugen. | Zierborte, Peru, Südküste, frühe Nasca-Kultur, 1.–3. Jh. n. Chr., dreidimensionale Stickerei in Baumwolle und Kamelidenwolle, Inv. Nr. 600 © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg).

Schätze aus dem Depot

Die frühperuanischen Textilien in der Abegg-Stiftung stammen fast alle aus der privaten Sammlung von Werner Abegg (19031984). Den grössten Teil davon erwarb er bereits am Anfang seiner Sammlungstätigkeit, zwischen 1930 und 1933. Mit der Gründung der Abegg-Stiftung 1961 gingen die südamerikanischen Pretiosen in den Stiftungsbesitz über. Seither wurde dieser Bereich durch einzelne Schenkungen und Ankäufe aus Schweizer Privatbesitz noch etwas ausgebaut. Die textilen Schätze aus dem Alten Peru befinden sich normalerweise alle im Depot der Abegg-Stiftung. Die aktuelle Sonderausstellung bietet also eine einzigartige Gelegenheit, präkolumbische Gewänder, Stoffe und Stickereien, deren kraftvolle Formensprache und raffinierte Herstellungstechnik kennenzulernen und zu entdecken.

abs

Kontakt:

https://abegg-stiftung.ch/oeffnungszeiten/

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Zierborte einer Tunika, Peru, Südküste, späte Paracas-/frühe Nasca-Kultur, 2. Jh. v. Chr. –1. Jh. n. Chr., Stickerei in Baumwolle und Kamelidenwolle, Inv. Nr. 460 © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg).

Bild: In den Darstellungen spiegeln sich die Vorstellungen ihrer Besitzer. Sie sind von Mischwesen aus Mensch und Tier beherrscht, denen offenbar besondere Kräfte zugesprochen wurden. Hinzu kommen zahlreiche Tiere: Katzen, Affen, Vögel, Fische, Frösche und Schlangen. Sie geben ein Bild der fruchtbaren, mächtigen Natur. | Zierborte einer Tunika, Peru, Südküste, späte Paracas-/frühe Nasca-Kultur, 2. Jh. v. Chr. –1. Jh. n. Chr., Stickerei in Baumwolle und Kamelidenwolle, Inv. Nr. 460 © Abegg-Stiftung Riggisberg (Christoph von Viràg).

 

 

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