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"JANET CARDIFF & GEORGE BURES MILLER - DREAM MACHINES"

"JANET CARDIFF & GEORGE BURES MILLER - DREAM MACHINES"

04.06.2023 Ausstellung im Museum Tinguely Basel, vom 7. Juni bis am 24. September 2023


Bild: Janet Cardiff & George Bures Miller, Experiment in F# Minor, 2013 © 2023 courtesy the artists, Art Gallery of Ontario

Das Werk von Janet Cardiff und George Bures Miller richtet sich an alle Sinne. Es erkundet insbesondere die skulpturale Plastizität von Geräusch, Klang und Musik. Ihre Arbeiten sind Vehikel für individuelle Exkursionen, die eine nostalgische Faszination für wunderkammerartige Erfahrungswelten mit den multimedialen Möglichkeiten unserer heutigen Lebensrealität verbindet.

Wer sich auf den Weg macht, ihre Werke zu erkunden, begibt sich auf Reisen, taucht in Träume und poetische Welten ein. Die Ausstellung bietet einen umfassenden Überblick über ihr Schaffen, von ersten interaktiven Klangarbeiten bis zu neusten, dystopisch-immersiven Rauminstallationen.

Den Anfang ihrer über 30jährigen Karriere als Künstlerpaar machten ortsspezifische "Audiowalks" mit Walk- oder Discmans. Ab 2000 entwickelten sie eine besondere Form der Augmented Reality, indem sie ihre Walks mittels verschiedener Videoabspielgeräte um eine Dimension erweiterten – ein  Erlebnis, das von Teilnehmenden als eine Art interaktives, körperlich erfahrbares Kino beschrieben wurde.

Ähnlich wie unser Geruchssinn ist das akustische Gedächtnis ein hochpräzises und hochkapazitives Erinnerungssystem, das die Wahrnehmung prägt und in seiner Offenheit, Körperlichkeit und Anschlussfähigkeit dem visuellen Gedächtnis vielleicht überlegen ist. Diesen Aspekt nutzt das Duo voll aus, um mit ihren Spaziergängen die wunderbare Entgrenzung und Offenheit des Hörens erlebbar zu machen: Durch die Interaktion mit der Aussenwelt werden die Sinne geschärft, gleichzeitig wirken die Teilnehmenden auf Aussenstehende, als befänden sie sich in einer meditativen Versenkung.

Cardiff und Miller verwenden verschiedene technische Ansätze, um unterschiedliche Klangerlebnisse zu kreieren. Besonders eindrücklich gelingt dies in ihrer ersten grossen musikalischen Installation "The Forty Part Motet" (2001). Ausgangspunkt für die Soundinstallation ist eine geistliche Vokalkomposition: die Motette "Spem in Alium" (um 1570) für acht Chöre zu je fünf Stimmen von Thomas Tallis. Das Duo zeichnete die Stimmen der vierzig SängerInnen einzeln auf getrennten Tonspuren auf, um sie schliesslich unisono wiederzugegeben. Vierzig Lautsprecher, in einem Oval angeordnet, stehen für die Chormitglieder und machen den Klang im Raum skulptural erfahrbar. Die BesucherInnen können ihr Hörerlebnis selbst beeinflussen, indem sie sich im Raum bewegen, sich nahe eines Lautsprechers auf eine einzelne Stimme konzentrieren oder die Komposition als Ganzes rezipieren.

"To touch" (1993), "The Cabinet of Curiousness" (2010) oder "Experiment in F# Minor" (2013) spielen mit dem technischen Ansatz, Sound durch Bewegung zu aktivieren. Die Werke sind stumm, bis die Betrachtenden mit ihnen interagieren. Die Berührung oder der Schattenwurf ihres Körpers erwecken die Arbeiten zum Leben und setzen Alltagsgeräusche, Melodien, Musikkompositionen oder flüsternde Stimmen frei.

Cardiff & Miller’s Schaffen ist angetrieben von einer Faszination für imaginative kulturelle Praktiken wie das Schreiben und Erzählen, Film, (Puppen-)Theater, Oper und Musik. Bewusst arbeiten sie mit dem Unbewussten, mit Träumen, die fantastische und oft disruptive Assoziationsräume eröffnen. So ermöglicht "The Instrument of Troubled Dreams" (2018) das Komponieren eines eigenen Film-Soundtracks. Die 72 Tasten des ursprünglichen Mellotrons, eine analoge Urform des Samplers, wurden von Cardiff und Miller mit verschiedensten digitalen Klängen belegt: Vom Regenprasseln über Gesang und Orgelspiel bis hin zum Hundegebell oder Schusswechsel. Kombiniert oder aufeinanderfolgend kann damit eine imaginäre Handlung erzählt werden.

Bei "The Muriel Lake Incident" (1999) findet man sich in einem Miniatur-Kinosaal wieder. Setzt man sich die Kopfhörer auf, hört man jedoch nicht allein den Sound des laufenden Films: Das binaurale Audiosystem gibt den Klang räumlich wieder und erweckt die Illusion, inmitten eines Kinopublikums zu sitzen, das raschelt, flüstert oder Popcorn isst. Die Erzählebenen verschwimmen und die Betrachtenden werden Teil des Geschehens.

Janet Cardiff und George Bures Miller betonen ihre Faszination für die Selbsttätigkeit der Maschine in Tinguelys Werk und bezeichnen ihn als einen ihrer wichtigsten Einflüsse. Wie in der Sammlungspräsentation im Museum Tinguely muss ein roter Knopf gedrückt werden, um mit "The Killing Machine" (2007) ein gleichsam düstereres Spektakel in Bewegung zu setzen. Inspiriert von der Kurzgeschichte "In der Strafkolonie" (1919) von Franz Kafka beginnen zwei Roboterarme ihren Totentanz und scheinen ein imaginäres Opfer auf einem Zahnarztstuhl mit spitzen Nadeln zu malträtieren. In "Sad Waltz and the Dancer Who Couldn’t Dance" (2015) zwingt die Maschine eine Marionette zu einem ungelenken Tanz, der die Betrachtenden in der intimen Ausstellungssituation mit der Puppe mitfühlen lässt.

Mit raumgreifenden Installationen wie "Opera for a Small Room" (2005) oder "Escape Room" (2021) können die BesucherInnen schliesslich gänzlich in von Cardiff & Miller kreierte Welten eintreten und der Realität entfliehen. Kleinteiligst und detailreich eingerichtet, hinterlassen die Räume den Eindruck, dass deren BewohnerInnen in jedem Moment zurückkehren könnten. Sorgsam inszenierte Sound- und Lichteffekte erwecken den Raum zum Leben, regen die Fantasie an und erinnern an längst vergessene Träume.

Das Ausstellungsprojekt ist eine Kooperation mit dem Lehmbruck Museum in Duisburg. Dort machte die Ausstellung im Frühjahr 2022 anlässlich der jüngsten Verleihung des Wilhelm Lehmbruck-Preises im Jahr 2020 an das Künstlerduo Station, welcher 1976 auch an Jean Tinguely vergeben wurde.

Begleitend zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog mit 168 Seiten im Wienand Verlag erschienen. Über abgedruckte QR-Codes sind Videos und Audiodateien der in der Ausstellung präsentierten Werke abrufbar. In zahlreichen Statements berichten WeggefährtInnen von Janet Cardiff und George Bures Miller, unter ihnen Kasper König, Carolyn Christov-Bakargiev und Dr. Söke Dinkla, von persönlichen Begegnungen und gemeinsamen Projekten und zeichnen auf diese Weise sehr anschaulich und persönlich wichtige Etappen im Leben des Künstlerpaares nach. Der Katalog ist im Buchhandel sowie für 35 CHF im Museumsshop erhältlich (ISBN: 9783868326932).

Die Ausstellung wird kuratiert von Roland Wetzel, Assistenz: Tabea Panizzi

mtb

Kontakt:

https://www.tinguely.ch/de/ausstellungen/ausstellungen/2023/cardiff-miller.html

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