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Daniel Leutenegger, Rathausgasse 18, CH-3011 Bern, www.ch-cultura.ch

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"IM DIALOG MIT BENIN. KUNST, KOLONIALISMUS UND RESTITUTION"

"IM DIALOG MIT BENIN. KUNST, KOLONIALISMUS UND RESTITUTION"

22.08.2024 Ausstellung im Museum Rietberg, Zürich, von 23. August 2024 bis am 16. Februar 2025


Bild: Königliche Gilde der Bronzegiesser (Igun Eronmwon), Ama, Reliefplatte mit Oba Ozolua, Nigeria, Königtum Benin, Edo, 16./17. Jh., Gelbguss, RAF 602, Geschenk Eduard von der Heydt - Foto: Rainer Wolfsberger © Museum Rietberg

Das Innere des Königshofes in Benin City nach der Zerstörung 1897, mit Captain C. H. P. Carter, F. P. Hill und unbekannt (von links), Nigeria, Benin City, 1897, Pitt Rivers Museum, University of Oxford, 1998.208.15.11

Bild: Das Innere des Königshofes in Benin City nach der Zerstörung 1897, mit Captain C. H. P. Carter, F. P. Hill und unbekannt (von links), Nigeria, Benin City, 1897, Pitt Rivers Museum, University of Oxford, 1998.208.15.11

Die Ausstellung "Im Dialog mit Benin" zeigt Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Kulturerbes aus dem Königtum Benin im heutigen Nigeria. Sie wurde in enger Zusammenarbeit mit VertreterInnen aus Nigeria und der Diaspora erarbeitet.

Erstmals wird die Kunstgeschichte Benins historisch und kulturvergleichend eingeordnet sowie die Bedeutung der Werke für Benin herausgearbeitet. Gleichzeitig thematisiert die Ausstellung die Plünderung der Objekte durch die britische Kolonialmacht, den Verkauf des Raubgutes über den internationalen Kunstmarkt und stellt die Frage nach Restitution.

Den grössten Einschnitt in der Geschichte von Benin markiert das Jahr 1897, als die britische Armee das Königtum eroberte und den Palast in Schutt und Asche legte. Der damalige König Oba Ovonramwen wurde abgesetzt und ins Exil geschickt. Die Briten plünderten Tausende von aufwändig gefertigten Objekten und liessen sie auf dem Kunstmarkt verkaufen. Feine Elfenbeinschnitzereien, Gedenkfiguren und Reliefplatten aus Messing wurden ihres ursprünglichen Kontextes entrissen und von Kriegstrophäen zur Handelsware und schliesslich zu Ausstellungsstücken in europäischen Museen.

Jonathan Adagogo Green, Postkarte von Oba Ovonramwen an Bord der Yacht HM Ivy auf dem Weg ins Exil, Nigeria, Benin City, 1897, 2020.617, Ankauf mit Mitteln des Rietberg-Kreises © Museum Rietberg

Bild: Jonathan Adagogo Green, Postkarte von Oba Ovonramwen an Bord der Yacht HM Ivy auf dem Weg ins Exil, Nigeria, Benin City, 1897, 2020.617, Ankauf mit Mitteln des Rietberg-Kreises © Museum Rietberg

Auch in der Sammlung des Museums Rietberg befindet sich geraubtes Kulturgut aus dieser Zeit. In den letzten vier Jahren hat sich das Museum im Rahmen der Benin Initiative Schweiz den dringlichen Fragen gestellt: Wie sieht ein verantwortungsvoller Umgang mit kolonialem Unrecht aus? Was macht ein Museum mit Sammlungen, die in der Kolonialzeit gewaltvoll angeeignet wurden? Welche Fragen nach Verlust, Eigentum und Erinnerung werfen Rückgaben auf? Wie kann die Perspektive der Urhebergesellschaft und der Diaspora integriert werden? Warum ist eine gleichberechtigte Zusammenarbeit so wichtig?

Ein wesentlicher Schritt ist, die Geschichte des Kolonialismus offen zu legen und erlittenes Unrecht anzuerkennen. Hierfür erforscht das Museum Rietberg die Provenienzen der Objekte, das heisst die Geschichte ihrer Herkunft und ihres Weges ins Museum. Dabei macht die Ausstellung nicht nur die konfliktreiche Geschichte der Benin-Objekte sichtbar, sondern sie zeigt auch die gemeinsam mit Nigeria entwickelten Wege der Zusammenarbeit über die Frage der Rückgaben hinaus auf.

Königliche Gilde der Bronzegiesser (Igun Eronmwon), Uhunmwu Elao, Gedenkkopf von Oba Osemwende, Nigeria, Königtum Benin, Edo, nach 1848, Gelbguss, RAF 601, Geschenk Eduard von der Heydt - Foto: Rainer Wolfsberger

Bild: Königliche Gilde der Bronzegiesser (Igun Eronmwon), Uhunmwu Elao, Gedenkkopf von Oba Osemwende, Nigeria, Königtum Benin, Edo, nach 1848, Gelbguss, RAF 601, Geschenk Eduard von der Heydt - Foto: Rainer Wolfsberger

Stimmenvielfalt als Prinzip

Erstmals ist das Museum dabei einen Schritt weiter gegangen. Es stellt die Geschichte Afrikas nicht nur aus der westlichen Perspektive dar, sondern hat für die Ausstellung mit Partnerinnen und Partnern aus Nigeria und der panafrikanischen Diaspora in der Schweiz zusammengearbeitet.

Die vier Kuratorinnen Josephine Ebiuwa Abbe, Solange Mbanefo, Michaela Oberhofer und Esther Tisa Francini kommen aus Nigeria sowie der Schweiz und sind in den Bereichen Theaterwissenschaften, Architektur, Kunstethnologie und Geschichte tätig. Gemeinsam haben sie die Inhalte, Texte, Gestaltung sowie das Begleitprogramm der Ausstellung entwickelt.

Filme und Interviews mit ExpertInnen aus Museen, Universität, Palast und Kunst verdeutlichen die nigerianische Perspektive auf das eigene Kulturerbe. Im Auftrag des Museums entstanden neue Werke in Werkstätten der Bronzegilden in Benin City. Zudem haben sich zeitgenössische KünstlerInnen wie Cherry-Ann Morgan oder Kwaku Opoku mit Themen wie Sklaverei und Kulturerbe, Erinnerung und Heilung beschäftigt.

Szenografie

Eine Premiere ist die Zusammenarbeit mit der Schweiz-nigerianischen Architektin Solange Mbanefo, die sich für die Gestaltung der Ausstellung von der Weltsicht in Benin inspirieren liess. Der Innenbereich ist den lichtdurchfluteten Innenhöfen des Palastes von Benin nachempfunden. Die Farbe Korallenrot ist ein Symbol für königliche Auftritte und Zeremonien. Die Präsentation spiegelt die Art und Weise wider, wie die Gegenstände ursprünglich auf den Säulen des Palastes oder auf den heiligen Ahnenschreinen angeordnet waren.

Die Aussenbereiche zu den Objektbiografien sowie zur Zeitgeschichte sind hingegen in der Farbe Blaugrün gehalten. Es ist die Farbe des Wassers und damit auch des Meeresgottes Olokun. Der Bezug zum Wasser verweist auf den Handel des Königtums Benins mit den Portugiesen ab dem 15. Jahrhundert und stellt die Aussenbeziehungen Benins über
seine Flusshäfen dar.

Das wichtigste Gestaltungsprinzip ist die gefaltete, lentikulare Architektur von Mbanefo, die auf geometrischen Formen und Zahlen aus der Welt von Benin aufbaut. Die eindrücklichen Stimmungsbilder von Strassenszenen aus Benin City oder einem Ausstellungsraum in Zürich sind fragmentiert. Erst wenn die Besuchenden den richtigen Blickwinkel einnehmen, setzten sie sich zu einem Gesamtbild zusammen. Dies macht die komplexe Geschichte Benins und die Stimmenvielfalt im Raum erfahrbar.

Ahnenaltar eines Oba mit Ritualobjekten aus Messing, Elfenbein, Holz und Stein, Nigeria, Benin City, 1954 - Foto: Elsy Leuzinger, Fotoarchiv © Museum Rietberg

Bild: Ahnenaltar eines Oba mit Ritualobjekten aus Messing, Elfenbein, Holz und Stein, Nigeria, Benin City, 1954 - Foto: Elsy Leuzinger, Fotoarchiv © Museum Rietberg

Ausstellungsrundgang

Der Fotograf Omoregie Osakpolor begrüsst die BesucherInnen mit einem Bild der Igun Street in Benin City, der Heimat der Giessergilden und dem Zentrum der Kunstproduktion. Dies ist eines der raumgreifenden lentikularen Wechselbilder.

Koloniale Eroberung und ihre Folgen

Ein in Nigeria produzierter Film führt in die traumatischen Ereignisse von 1897 ein, als die Briten Benin eroberten und plünderten. Eine neue Messingskulptur und Trauerlieder von Josephine Ebiuwa Abbe verdeutlichen den anhaltenden Schmerz der Edo-Gesellschaft.

Kunstgeschichten aus Benin-Sicht

Im Zentrum der Ausstellung, gestaltet wie ein Innenhof des Palastes, stehen die Geschichte des Benin-Königtums und die Handwerkskunst. Vier Themeninseln beleuchten die Kunstwerke: Erinnerung und Architektur, Gedenken und Ritual, Prestige und Performance sowie Kunstproduktion früher und heute. PartnerInnen aus Benin betonen die Bedeutung der Kunstwerke, wie etwa ein Anhänger aus Elfenbein, der an die Krönungsfeierlichkeiten erinnert. Die performativen Aspekte der Kunst werden durch Interviews, Lieder und Tänze dargestellt. Um Benin in eine Kunstgeschichte Afrikas einzubetten, sind die sechzehn Benin Objekte aus dem Museum Rietberg mit Werken der Afrika-Sammlung sowie Leihgaben aus dem Bernischen Historischen Museum und dem Musée d'ethnographie da la Ville de Neuchâtel ergänzt.

Provenienzforschung und Restitution

Der Aussenbereich der Ausstellung greift die Biografien der Benin-Objekte von der Entstehung bis zum heutigen Standort in Europa auf. Karten und Archivdokumente veranschaulichen die Wege der Objekte. Dabei geht es um politische und wirtschaftliche Beziehungen, die Folgen der Kolonialzeit, Geschäfte auf dem globalen Kunstmarkt und Lebenswelten von Sammlerinnen und Sammlern.

Provenienzforschung ist ein erster Schritt, um Gerechtigkeit wiederherzustellen, denn verdrängte Geschichten werden offengelegt.

Eine chronologische Übersicht zeigt die Geschichte des Benin-Königtums und dessen globalen Verflechtungen bis zur Benin Initiative Schweiz. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Festival of Arts and Culture (FESTAC) 1977 in Nigeria, das die kulturelle Vielfalt der panafrikanischen Welt feierte und die Restitutionsdebatte beeinflusste.

Die Ausstellung zeigt neue Wege im Prozess der Restitution auf und unterstreicht, wie wichtig dabei die Zusammenarbeit mit VertreterInnen der Herkunftsländer und der panafrikanischen Diaspora ist.

Zeitgenössische Positionen

Als Erweiterung der Ausstellung bereichern zeitgenössische Werke die Dauerausstellung Afrika. Die karibische Künstlerin Cherry-Ann Morgan thematisiert in ihrer Installation It is complicated Sklaverei und ihre afrikanischen Wurzeln, während der ghanaische Künstler Kwaku Dapaah Opoku mit seiner Arbeit Nipadu die Brandschatzung Benins künstlerisch aufarbeitet und Museen als Begräbnisstätten hinterfragt.

Studioportrait von William D. Webster, Ende der 1890er-Jahre, The Trustees oft he British Museum, London, ID 01355139001, FotografIn unbekannt

Bild: Studioportrait von William D. Webster, Ende der 1890er-Jahre, The Trustees of the British Museum, London, ID 01355139001, FotografIn unbekannt

Stimmen

"What interests me about the exhibition is the opportunity to talk about my culture by myself and not what I am told about my culture".

Josephine Ebiuwa Abbe, Ko-Kuratorin und Theaterwissenschaftlerin der Universität Benin in Benin City, 2023

"We wanted to use multi perspectivity as a main point in the exhibition and I saw this as an ability to decolonize".

Ko-Kuratorin und Architektin Solange Mbanefo in Luzern, 2023

"History is not only about what was but also about what is. And those objects are still telling the story till tomorrow."

Historikerin Enibokun Uzébu-Imarhiagbe, Universität Benin in Benin City, 2023

"For me, touching these objects is more spiritual than physical. These works represent our history and our soul".

Kunsthistoriker und Künstler Patrick Oronsaye, 2023

"Seeing the objects in the museum gives me encourage that there is a hope for a better future."

Phil Omodamwen, Messinggiesser in sechster Generation in Benin City, 2023

"I am connected to these objects directly, these objects influenced my art, my creativity."

Samson Ogiamen, Künstler und Kunstvermittler in Graz, 2023

Marilyn Nance, Einzug der pan-afrikanischen Delegationen auf dem World Black and African Festival of Arts and Culture (FESTAC), Nigeria, Lagos,1977, Archiv Marilyn Nance

Bild: Marilyn Nance, Einzug der pan-afrikanischen Delegationen auf dem World Black and African Festival of Arts and Culture (FESTAC), Nigeria, Lagos,1977, Archiv Marilyn Nance

Benin Initiative Schweiz: Forschung und Dialog

Die Ausstellung findet im Rahmen der 2020 ins Leben gerufenen Benin Initiative Schweiz statt, die vom Bundesamt für Kultur unterstützt wird. Unter Leitung von Michaela Oberhofer und Esther Tisa Francini vom Museum Rietberg untersuchen acht Schweizer Museen gemeinsam mit KollegInnen aus Nigeria ihre Benin-Sammlungen. Bei der Zusammenarbeit geht es nicht nur um die gemeinsame Forschung, sondern auch um Fragen nach kolonialem Unrecht und Rückgabe, Kulturerbe und Identität. Das Museum Rietberg setzt mit dieser Ausstellung ein Zeichen im Umgang mit seinen Sammlungen in Zusammenarbeit mit den Ursprungsgesellschaften. Ziel ist es, die Geschichten des
Kulturerbes gemeinsam aufzuarbeiten und für beide Seiten guten Lösungen für die Zukunft zu suchen.

Gleichzeitig zur Ausstellung am Museum Rietberg finden auch in den Partnermuseen wie im Musée d'ethnographie de Neuchâtel, im Musée d'ethnographie de Genève sowie im Völkerkundemuseum der Universität Zürich Ausstellungen und Veranstaltungen zum Umgang mit dem Kulturerbe aus Benin in der Schweiz statt.

Zur Ausstellungseröffnung erscheint die Publikation:

In Bewegung. Benins Kulturerbe in Schweizer Museen
HerausgeberInnen: Esther Tisa Francini, Alice Hertzog, Alexis Malefakis und Michaela Oberhofer, Zürich 2024
Verlag: Scheidegger & Spiess, 19 CHF, erhältlich in Deutsch und Englisch im Museumsshop

mrz

Kontakt:

https://rietberg.ch/ausstellungen/imdialogmitbenin

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Giesserwerkstatt von Phil Omodamwen, Nigeria, Benin City, 26.03.2022, Foto: Alice Hertzog

Bild: Giesserwerkstatt von Phil Omodamwen, Nigeria, Benin City, 26.03.2022, Foto: Alice Hertzog (Ausschnitt)

Omoregie Osakpolor, Eingang zur Igun Street als Hommage an die Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Benin, Nigeria, Benin City, 2024, hergestellt im Auftrag des Museums Rietberg

Bild: Omoregie Osakpolor, Eingang zur Igun Street als Hommage an die Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Benin, Nigeria, Benin City, 2024, hergestellt im Auftrag des Museums Rietberg

 

 

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