"HELMUT FEDERLE – 19 E. 21ST ST., SIX LARGE PAINTINGS"
30.05.2019 Ausstellung im Kunstmuseum Basel, Neubau, bis am 15. September 2019
Bild: Helmut Federle - Foto: © Julian Salinas
In über vierzig Jahren hat Helmut Federle ein Œuvre entwickelt, in dem sich geometrische Konstruktion und malerische Gestik die Waage halten. Das Kunstmuseum Basel bringt in einer konzentrierten Präsentation sechs grossformatige Gemälde sowie Arbeiten auf Papier aus dem museumseigenen Bestand mit historischer Keramik aus der Sammlung des Künstlers zusammen und geht damit Federles Verständnis von Abstraktion seit den frühen 1980er-Jahren nach.
Nach seinem Studium bei Franz Fedier an der damaligen Schule für Gestaltung in Basel begann Federle ab den 1970er-Jahren seine Position als Maler zu etablieren. Regelmässige Besuche im Kunstmuseum Basel mit seinen heute im Neubau gezeigten Werken von Mark Rothko, Barnett Newman, Clyfford Still und Franz Kline waren wichtig für seine Auseinandersetzung mit der abstrakten Malereitradition der amerikanischen Nachkriegskunst. Federles Ausgangspunkt war - anders als bei seinen ebenfalls aus postmoderner Perspektive an nicht-figurativer Kunst interessierten Schweizer Kollegen wie John Armleder und Olivier Mosset - nicht die Reflektion jenes gesellschaftlichen Moments der westlichen Nachkriegszeit, in der die Abstraktion zur vorherrschenden Ästhetik wurde. Sein Interesse an der Abstraktion war und ist seither stattdessen ein genuines, dem er im Spannungsfeld zwischen gestischer und streng geometrischer Malweise nachgeht.
Das Gemälde Asian Sign (1980) entstand während des mehrjährigen Aufenthalts des Künstlers an der Adresse 19 E. 21st St. in New York und wurde 1982 von Christian Geelhaar, dem damaligen Direktor des Kunstmuseums Basel, für die Sammlung angekauft. Die auf der Form einer Swastika basierende Komposition gab Anlass für heftige und kontrovers geführte Diskussionen. Aus dem Grossen Rat wurden Stimmen laut, die dafür plädierten, das Gemälde abzuhängen. Unter dem Titel Bilder Zeichnungen wurde das Werk 1985 in einer Einzelausstellung des Künstlers im Museum für Gegenwartskunst (heute Kunstmuseum Basel | Gegenwart) gezeigt. Das ikonische Zeichen verlor so nicht an Schlagkraft, bot aber durch die Einordnung ins Umfeld der ausgestellten Gemälde und Zeichnungen eine Reihe weiterer Lesarten an: Dazu gehören ganz wesentlich die vielfältigen Verwendungen des Zeichens in so unterschiedlichen Kontexten wie buddhistischer Baukunst und indigener Textilien in Nordamerika.
In den 1980er-Jahren gehörte das Werk zur ständigen Präsentation im Museum für Gegenwartskunst. Federles Werke fanden seither Eingang in zahlreiche Museums- und Privatsammlungen (u.a. Tate Modern, London, und Centre Pompidou, Paris; 1997 vertrat er die Schweiz auf der Biennale in Venedig). Die Auseinandersetzung in Basel hingegen blieb ohne Fortsetzung. Anregung, das Gespräch wieder aufzunehmen, gibt nun die Ausstellung Helmut Federle. 19 E. 21st St., Six Large Paintings, die das Basler Bild im Kontext von fünf weiteren Gemälden Federles aus den Jahren 1980 bis 2005 platziert (Leihgaben aus Bern, Bonn, Karlsruhe und Wien).
Die konzentrierte Präsentation im Erdgeschoss des Neubaus zeugt von der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit geometrischen Formen und ihren Balanceverhältnissen auf der Bildfläche. Eine Auswahl von Arbeiten auf Papier aus den Jahren 1979 bis 1984, die aus der Ausstellung im Kunstmuseum Basel 1985 heraus angekauft wurden, hilft Federles damalige Sicht auf die Welt zu verstehen. Dieses Konvolut präsentiert sich heute als eine Art Zeitkapsel, in dem sich visuelle und materielle Fragmente New Yorks wie auch Federles Wahrnehmung der eigenen Person im Gefüge dieser Stadt eingeschrieben finden.
Ergänzt wird die Werkauswahl durch eine persische Keramikschale aus dem 9. oder 10. Jahrhundert sowie einen japanischen Teebecher vom Anfang des 17. Jahrhunderts. Beide Artefakte sind Leihgaben aus der Sammlung des Künstlers und verdeutlichen nicht nur seine Faszination für fremde, insbesondere asiatische Kulturen, sondern auch, dass Federle in seiner Kunst keinen formalistischen Ansatz pflegt. Er strukturiert Ordnung und Fläche so, dass sie über das Faktische hinausgehende Erfahrungen und Zustände bewusst machen. In den einfachen und gleichzeitig raffinierten Keramikobjekten sieht der Künstler eine Qualität, die auch in seinen Werken anklingt. In der Gegenüberstellung mit den Gemälden und den Arbeiten auf Papier wird so deutlich, dass Federle mit abstrakt nicht gegenstandslos meint, sondern Abstraktion als persönliches, Epochen und Kulturen übergreifendes Kontinuum versteht.
Zur Ausstellung erscheint die gleichnamige, reich illustrierte Publikation (de/en) mit Texten von Gottfried Boehm, Josef Helfenstein, Roman Kurzmeyer, Jeremy Lewison, Jasper Sharp, Richard Shiff und Maja Wismer im Verlag für moderne Kunst, Wien.
Das Museum bietet regelmässig Führungen durch die Ausstellung an. Am 10. September 2019 findet in Zusammenarbeit mit dem Stadtkino Basel ein Filmabend statt. Gezeigt wird eine Filmauswahl von Helmut Federle.
Biografische Angaben
Helmut Federle wurde 1944 in Solothurn geboren und lebt in Wien und Camaiore, Italien. Er vertrat 1997 die Schweiz auf der 47. Biennale Venedig. Von 1999 bis 2007 hatte er eine Professur an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf inne. 2008 erhielt er den Prix Aurélie Nemours, 2016 den Preis der Sammlung Ricola.
Die monografische Ausstellung markiert den Auftakt einer neuen Reihe, die in unregelmässigen Abständen wichtige Ankäufe und Sammlungsergänzungen der jüngeren Vergangenheit zum Ausgangspunkt nimmt. In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Künstlerinnen und Künstlern ist es das Ziel, in konzentrierten Präsentationen die in der Sammlung vorhandenen Werkgruppen neu zu kontextualisieren und zu entdecken.
kmb
Kurator: Josef Helfenstein mit Maja Wismer
Kontakt:
https://kunstmuseumbasel.ch/de/ausstellungen/2019/helmut-federle
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