BÜRO DLB - IDEE-REALISATION-KOMMUNIKATION
Daniel Leutenegger, Rathausgasse 18, CH-3011 Bern, www.ch-cultura.ch

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"HEDI MERTENS. LOGIK UND INTUITION
"

"HEDI MERTENS. LOGIK UND INTUITION
"

06.02.2024 Ausstellung im Museum Haus Konstruktiv, Zürich, vom 8. Februar bis am 5. Mai 2024 - Vernissage: 7. Februar 20214, 18 bis 21 Uhr


Bild oben: Hedi Mertens in Carona, um 1960–1965, Archiv Familien Mertens und Roelli, Foto: Wolfgang Roelli

Bild: Hedi Mertens, Ohne Titel | Untitled, 1972, Öl auf Leinwand | oil on canvas, 95 x 95 cm, Sammlung | Collection Museum Haus Konstruktiv, Schenkung Nachlass Hedi Mertens | donated by the estate of Hedi Mertens

Bild: Hedi Mertens, Ohne Titel | Untitled, 1972, Öl auf Leinwand | oil on canvas, 95 x 95 cm, Sammlung | Collection Museum Haus Konstruktiv, Schenkung Nachlass Hedi Mertens | donated by the estate of Hedi Mertens

Das Museum Haus Konstruktiv würdigt Hedi Mertens (geb. 1893 in Gossau, SG, gest. 1982 in Carona, TI) in einer retrospektiv angelegten Einzelschau. Die Schweizer Künstlerin leistete mit ihrem vergleichsweise spät einsetzenden, meist auf systematischen Untersuchungen des Quadrats basierenden Œuvre einen wichtigen Beitrag zur konstruktiv-konkreten Kunst.

Als Hedi Mertens 1960 mit dem Malen konstruktiv-konkreter Werke beginnt, ist sie 67 Jahre alt. Dieser späte Auftakt erstaunt insofern, als sich Mertens bereits 1912 entschloss, eine klassische Kunstausbildung in der Schweiz und in Deutschland zu absolvieren. Nach einigen frühen expressionistischen Gemälden hört sie in den 1930er-Jahren mit dem Malen auf – ihr Interesse an Kunst indes bleibt.

Als scharfsinnige Beobachterin der aktuellen Szene steht sie in regem Austausch mit kunst- und kulturaffinen Personen, die bei ihr und ihrem Ehemann Walter Mertens auf dem Bünishof in Feldmeilen zwischen 1930 und 1944 ein- und ausgehen.

Neben der Beschäftigung mit spirituellen Fragen – Mertens wird 1938/39 in einem Ashram in Indien leben – sind es Begegnungen mit den konstruktiv-konkret arbeitenden Künstlern Leo Leuppi und Richard Paul Lohse, die ihr Kunstverständnis nachhaltig prägen. Vor allem mit Lohse pflegt sie einen engen Kontakt. Sie wird sich immer wieder über "Probleme konstruktiver Formulierungen" mit ihm austauschen. "Ich male Bilder, den Ihren verwandt aber nur im Traum", schreibt sie ihm 1951 in einem Brief.

Es vergehen noch weitere neun Jahre, bis Mertens – mittlerweile mit dem deutlich jüngeren Arend Fuhrmann (geb. 1918 in Hamburg, gest. 1984 in Carona) in einer Wohngemeinschaft im Tessiner Dorf Carona lebend – ihre künstlerische Arbeit wieder aufnimmt. Angeregt durch einen Vortrag über chinesische Musik und in Auseinandersetzung mit der geometrischen Abstraktion erschafft sie in nicht einmal zwei Jahrzehnten ein beeindruckend reifes, rund 200 Arbeiten umfassendes Œuvre, in dem die Quadratform in unterschiedlichsten Variationen und Farbabstufungen in Erscheinung tritt.

Das Haus Konstruktiv hat Hedi Mertens bereits 1989 in der Gruppenausstellung Fünf Malerinnen aus einer Generation. Gisela Andersch, Vera Haller, Jenny Losinger-Ferri, Hedi Mertens, Elsy Wiskemann gezeigt. Nun, rund 25 Jahre später, widmet es ihr eine eigene Retrospektive, die im letzten Raum des vierten Obergeschosses beginnt und mit Werken aus der letzten Schaffensphase im dritten Stockwerk endet.

Das Œuvre von Hedi Mertens ist gekennzeichnet durch die Dualität von Logik und Intuition. Rationale Strenge äussert sich primär in der konsequenten Verwendung des Quadrats, sei es als bildbestimmendes Format – bisweilen auch auf die Spitze gestellt oder vervielfacht in einem Querformat –, oder als Grundmodul, mit dem die Künstlerin ihre Bilder mittels Rasterung, Teilung, Vervielfachung, Spiegelung und anderen geometrischen Operationen systematisch organisiert.

Dieser rationalen Vorgehensweise steht ein freier, intuitiver Umgang mit Farbe gegenüber, durch den sich Mertens von ihren Kollegen aus dem Kreis der Zürcher Konkreten deutlich abgrenzt.

Keiner inhärenten Farblogik folgend verwendet Mertens Primärfarben, Schwarz und Weiss, zarte Pastelltöne sowie kräftig leuchtende Mischfarben in verschiedenen Abstufungen, die sie teils deckend, teils lasierend, teils wolkig und oft auch homogen auf die Leinwand aufträgt. Dies führt zu Farbkontrasten und -kombinationen, die im Kontext der konstruktiv-konkreten Kunst als durchaus unkonventionell einzustufen sind.

Zu den frühsten Exponaten im Haus Konstruktiv zählen Arbeiten wie Quadratgruppe auf der Grundlage eines Quadrates und Zwei Quadratgruppen I (beide aus dem Jahr 1961). Quadrate verschiedener Grössen sind dergestalt auf der Leinwand verteilt, dass sie sich durch proportionale Beziehungen untereinander zu Gruppen verbinden lassen. Ebenfalls zu den frühen Arbeiten gehören Ineinandergeschobene Quadrate in horizontaler Bewegung II (1961) und Vertikaler Aufbau degressiver, sich entwickelnder Quadrate II (1963/64). Beide zeigen frei platzierte Folgen von kleiner werdenden, also degressiven Quadraten auf hellem Grund – ein Gestaltungsprinzip, das schon Theo van Doesburg, einer der Begründer der konkreten Kunst, in Kompositionen der 1930er-Jahre anwendete.

Ab 1963 werden die Bildordnungen von Hedi Mertens dichter. In Rhythmische Bewegung mit Quadraten und Rechtecken I (1963) zum Beispiel ist die ganze Bildfläche in sechs vertikale Reihen unterteilt. Jede besteht aus einem Quadrat und vier unterschiedlich grossen Rechtecken, deren kleinstes und grösstes sich jeweils zu einem Quadrat ergänzen lassen. In Verbindung von zwei Quadratfeldern durch rhythmisch akzentuierte Bewegungen (1964) verzichtet die Künstlerin auf die Rechteckform und setzt Quadrate im Grössenverhältnis 1:4:9:16 betont asymmetrisch ins Bildinnere, sodass sich gleich grosse Elemente so wenig wie nötig berühren.

Über längere Zeit beschäftigt sich Mertens mit dem Motiv der Quadrattreppe – einer Konfiguration, die auch schon Lohse und Camille Graeser erprobt haben. An die degressiven Quadrate anknüpfend, zeigen sie eine auf- oder absteigend, horizontal oder vertikal angeordnete Folge von drei verschieden grossen Quadraten, meist im Verhältnis 4:9:16. Diese quadratischen Stufenfolgen sind jeweils so mit verschieden langen Rechtecken verknüpft, dass sie zu einer übergeordneten Quadrateinheit verschmelzen.

Zwei horizontale Felder mit rhythmisch akzentuierten gleichen Einheiten (1963) gilt als frühestes Exemplar dieser modularen Ordnung. Weitere Exponate mit Treppenformationen zeigen, wie variantenreich die Werkgruppe ist. 1969 greift Mertens erneut auf dieses Kompositionsschema zurück, setzt dabei aber vermehrt auf starke vertikale Akzente, kräftigere Farben und härtere Kontraste. Teils wird das Stufensystem aufgelöst, indem sich einzelne Einheiten zu grösseren monochromen Flächen vereinen (Neun farbig gegliederte Quadratgruppen, senkrecht, waagrecht akzentuiert und Spiel in flächengebundenen Quadrateinheiten, beide aus dem Jahr 1970).

Zwischen 1965 und 1971 entsteht eine umfangreiche Serie, in der sich Mertens intensiv mit Quadratrastern auseinandersetzt. Die Grundstruktur dieser Gruppe ist immer dieselbe: Die Bildfläche wird in ein Raster von 16 quadratischen Feldern gegliedert, die ihrerseits wieder in 9 kleinere quadratische Einheiten unterteilt sind. Einige dieser Minimaleinheiten treten durch ihre Farbigkeit hervor und gehen mit anderen quadratischen Einheiten Verbindungen ein. Die statische Binnenstruktur erfährt damit eine Dynamisierung, so auch in dem Werk 16 Quadrat-Einheiten. 8 Quadrat-Einheiten werden aktiviert durch kleine weisse aufsteigende Quadrate, gehalten durch rosa Doppelquadrat (1967).

Die Bildstrukturen der Serie Vierseitig gleiche Einheiten, in der Mitte sich treffend (der Titel variiert in den 1968/69 entstandenen Werken leicht) zeichnen sich durch eine besonders dichte Rasterung aus. Dieser stark durch Arbeiten von Richard Paul Lohse inspirierte Bildtypus besteht aus einem inneren polychromen Quadratkern – gleichfarbige Einheiten berühren sich darin nicht – und einem äusseren Quadratkranz, in welchem sich gleichfarbige Felder zu rhythmisch angeordneten Streifenformationen verbinden. Mit der zunehmenden Auflösung engmaschiger All-over-Gitterstrukturen kehrt Mertens zurück zum Thema Figur und Grund. Sie kreiert Kompositionen, in denen sie geometrische Elemente viel freier und spielerischer ins Bild setzt.

Grundgrün, helles Eisblau, gelbe + rote Striche (1971) und Senkrecht und waagrecht laufende dreifache Quadrate fallen und steigen durch drei Grundquadrate (Mandala) (1969) sind Beispiele dafür.

Anfang der 1970er-Jahre entstehen Arbeiten mit drei um ein grösseres monochromes Quadrat im Zentrum kreisenden Quadraten: eines davon berührt das Mittelquadrat an einer Ecke, während die beiden anderen diagonal gegenüber mit einer Seite daran andocken (Weisser Grund, schwarz, drei rote Quadrate um blaue Mitte, 1971). In Diagonale Quadratkette mit rotem Quadrat (1973) erfährt das Grundschema der rotierenden Quadrate eine formale Weiterentwicklung, die darin besteht, dass das Bild selbst auf die Spitze gestellt wird. Die ins Bild gesetzten Elemente erzeugen eine in Stufen verlaufende Quadratkette.

Über Eck gestellt ist auch Singender Quadratrhythmus (1973), wobei das Bildinnere an die um 1964 entwickelten Konfigurationen der rhythmisch akzentuierten Bewegung anschliesst. Eine eigene Werkgruppe bilden jene Arbeiten, in denen sich Mertens mit dem Motiv des Quadrats im Quadrat beschäftigt: Stets in eine Ecke platziert, wird es mit einer Winkelform aus aneinandergereihten Quadraten ergänzt- Beispiele dafür sind im dritten Stockwerk ausgestellt (Komposition mit drei weissen Quadraten, 1973, und Komposition mit starkem Mittelquadrat, 1973).

Das Winkelmotiv steht auch im Fokus von Mertens’ weiterem Schaffen. Es entstehen Arbeiten, in denen das Bildinnere durch unterschiedliche Winkelformationen strukturiert ist, wobei die Ausrichtung und Ausgestaltung der L-Formen sehr abwechslungsreich ausfallen (Vier Quadrate in Quadrate und Winkel gegliedert (Blau, Violett, Gelb, Zinnober) und Vier unterteilte Quadrate, beide von 1975).

Aus zwei gegenläufigen Winkeln bildet sich das Motiv des Mäanders, das bestimmend für einen weiteren Bildtypus ist. Auch in diesen Arbeiten sind die Mäanderbänder und die von ihnen auf zwei beziehungsweise drei Seiten gefassten Quadrate varianten- reich ausgestaltet (Quadrate, durch Mäanderlinien gebildet und Vier quadrate, quadratisch gegliedert, beide 1975). Das Prinzip der spiegelsymmetrischen Anordnung wird zunehmend aufgelöst: Der Mäander wird nur noch angedeutet, er ist zur  U-Form, zum Winkel oder zur Linie fragmentiert (Zwei singende und drei stumme Quadrate, 1976), bis er in Werken der letzten Schaffensphase ganz verschwindet.

Die Arbeiten der letzten Periode sind Bilder der Ausgewogenheit, der Ruhe und Kontemplation. Die spärlich eingesetzten Farbformen in dunklem Grau, Gelb und Blau scheinen auf dem weissen Grund zu schweben, was den Eindruck einer immateriellen Räumlichkeit erzeugt. Gerade diese meditative Tiefe ist es, die Mertens persönlichen Stil auszeichnet – und mit der es ihr gelingt, sich ganz von ihren streng konstruktiv-konkret arbeitenden Vorbildern zu emanzipieren.

Die in Zusammenarbeit mit dem Museo d’arte della Svizzera italiana MASI realisierte Ausstellung war von April bis Oktober 2023 in leicht anderer Form im Palazzo Reali in Lugano zu sehen.

Aus der Kooperation ging der bei Scheidegger & Spiess / Edizioni Casagrande erschienene Katalog Hedi Mertens: La logica dell’intuizione / Logik der Intuition hervor, mit Texten (d/i) von Francesca Benini, Evelyne Bucher und Medea Hoch sowie zahlreichen Werkabbildungen in Farbe.

Kuratiert von Evelyne Bucher

mhk

Kontakt:

https://www.hauskonstruktiv.ch/

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Auf ch-cultura.ch u.a. erschienen:

https://www.ch-cultura.ch/de/archiv/museum-ausstellung-galerie/hedi-mertens.-la-logica-dellintuizione 

Bild: Hedi Mertens, Vierseitig gleiche Einheiten, in einem Mittelquadrat sich treffend, 1968, Öl auf Leinwand | oil on canvas, 100 x 100 cm, Nachlass Hedi Mertens | Hedi Mertens Estate, Foto: | photo: Prestampa Taiana, Muzzano

Bild: Hedi Mertens, Vierseitig gleiche Einheiten, in einem Mittelquadrat sich treffend, 1968, Öl auf Leinwand | oil on canvas, 100 x 100 cm, Nachlass Hedi Mertens | Hedi Mertens Estate, Foto: | photo: Prestampa Taiana, Muzzano

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