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DIE WALLISER KANTONSMUSEEN UND DIE RÄTSEL UM DIE SAMMLUNG GUIGOZ

DIE WALLISER KANTONSMUSEEN UND DIE RÄTSEL UM DIE SAMMLUNG GUIGOZ

03.05.2022 Wie verwaltet man für eine bedeutende Schweizer Museumsinstitution eine Sammlung mit einer getrübten Vergangenheit? Genau diese Frage leitete das Vorgehen, welches die Direktion der Walliser Kantonsmuseen 2014 lanciert hat. Ihrer Transparenzpflicht und Vorbildrolle getreu wollten die Kantonsmuseen die archäologische Herkunft der Objekte der Guigoz-Sammlung etablieren und folglich deren Erwerbsbedingungen klären. Die Ergebnisse der Studie liegen nun vor, und die Kantonsmuseen bestätigen, dass sie der Prüfung allfälliger Rückgabeanforderungen offen gegenüberstehen.


Bild oben: Terrakotta-Lampen-Set aus der Guigoz-Sammlung, das in den Depots des Historischen Museums aufbewahrt wird. © Musées cantonaux du Valais, Sion. Marc-André Haldimann

Die zwischen den 1930er- und 1960er-Jahren entstandene Guigoz-Sammlung umfasst rund 3'700 antike und mittelalterliche archäologische Objekte, die aus dem Mittelmeerraum, im Wesentlichen aus dem Nahen Osten und Italien, stammen. Die Sammlung gelangte 1970 als Legat des in Chiasso ansässigen Walliser Industriellen Edouard Guigoz (1902–1970) in den Besitz des Kantons Wallis. Der damalige Staatsrat nahm das Vermächtnis an, obwohl die Sammlung weder ein Inventar noch eine Dokumentation umfasste, welche die Herkunft der archäologischen Objekte etablieren würde, oder ihren Werdegang, vom Fund bis zum Erwerb durch Edouard Guigoz. Die Sammlung wurde zwischen 1970 und 1972 nach Sitten verlegt, wo die Kantonsmuseen von 1972 bis 1976 das Inventar erstellten. 

Archäologisches Kulturgut ist grundsätzlich gegen Export geschützt. Deshalb besteht bei einer Sammlung dieser Art das Risiko einer problematischen Herkunft, da sie möglicherweise durch archäologische Plünderung entstanden ist. Im Jahr 1979 gab der Kanton Wallis eine römische Marmorskulptur aus der Guigoz-Sammlung an Italien zurück, wo sie Ende der 1950er-Jahre gestohlen worden war. Die zunehmenden Zweifel betreffend die Herkunft der Objekte haben die vormaligen Direktionen der Kantonsmuseen dazu bewogen, die Verwaltung der Sammlung den berufsethischen Regeln anzupassen, die sich seit 1970 stark entwickelt haben. 

Die Guigoz-Sammlung wurde 1985 aus den Ausstellungsräumen entfernt. Seither wird sie in den Lagern der Kantonsmuseen aufbewahrt. Im Jahr 2014 hat die neue Direktion beschlossen, die Angelegenheit wieder aufzunehmen. In einer Transparenz und Offenheit anstrebenden Perspektive wurde folglich eine umfassende Studie lanciert, welche der Bund und Michelle Guigoz, die Patentochter von Edouard, finanziell unterstützt haben. Ein Gremium spezialisierter Wissenschaftler, die verschiedenen Schweizer Universitäten angehören, wurde beauftragt, die Sammlung, ihre Geschichte und ihren Stand gegenüber dem Gesetz zu untersuchen. 

Die Sphinx "Aldobrandini", ein Exemplar aus der Guigoz-Sammlung, das 1979 an Italien zurückgegeben wurde. ©Musées cantonaux du Valais, Sion. Heinz Preisig

Bild: Die Sphinx "Aldobrandini", ein Exemplar aus der Guigoz-Sammlung, das 1979 an Italien zurückgegeben wurde. © Musées cantonaux du Valais, Sion. Heinz Preisig

Die Ergebnisse der Studie

Die Autoren der Studie sind zum Schluss gekommen, dass die Guigoz-Sammlung nicht gegen die Schweizer Gesetzgebung verstösst, weil das Unesco-Abkommen "über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut" in unserem Land erst 2003 ratifiziert wurde. Das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer ist erst 2005 in Kraft getreten. Weder das Abkommen noch das Gesetz beinhalten eine Rückwirkung.

Ausser der Skulptur, die 1979 an Italien zurückgegeben wurde, konnte bisher kein weiteres Objekt von den Experten als gestohlen oder geraubt identifiziert werden. Die Objekte der Sammlung sind mehrheitlich eher gewöhnlich und von geringem Marktwert. Abgesehen von rund 20 einmaligen und seltenen Stücken gelten sie als von geringem bis mittlerem ästhetischem Wert. Ihr archäologisches Interesse wird dadurch stark gemindert, dass die Herkunft (Entdeckungsort) und der wissenschaftliche Ausgrabungskontext fehlen.

Für den Staatsrat Wallis ist der Besitz einer solchen Sammlung ein Aufruf zu Transparenz und öffentlicher Kommunikation, damit die Identifizierung und archäologische Herkunft der Objekte unterstützt werden können sowie allfällige Rückgabeforderungen.

Zu diesem Zweck ist nun die gesamte Sammlung auf dem Forschungsportal www.vallesiana.ch online zugänglich. Der Expertenbericht ist auf der Website der Kantonsmuseen abrufbar (www.museen-wallis.ch/geschichtsmuseum/sammlungen). Aus berufsethischer Sicht kommen die Objekte der Guigoz-Sammlung für Rückgaben in Frage, sofern die Berechtigten (Staaten oder Privatpersonen) genügend gestützte Anträge über die Kantonsmuseen an den Staatsrat richten.

Die Sammlung wird heute professionell und transparent konserviert. Bis zu allfälligen Rückforderungen kann die Lagerung der Objekte durch die Kantonsmuseen als letzte Lösung für eine Leihgabe betrachtet werden.

Ein Entscheid des Staatsrats unterstreicht, dass jegliche Ausstellung, Veröffentlichung oder Aufwertung der Objekte dieser Sammlung fortan unter Erwähnung des problematischen Charakters und ihrer Herkunft erfolgen muss.

Quelle / Kontakt:

https://www.vs.ch/de/web/communication/detail?groupId=529400&articleId=16292035&redirect=https%3A%2F%2Fwww.vs.ch%2Fde%2Fweb%2Fculture%2Fmedienmitteilung

https://www.museen-wallis.ch/index.php

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Auswahl an Metallobjekten aus der Guigoz-Sammlung. ©Musées cantonaux du Valais, Sion. Université de Bâle

Bild: Auswahl an Metallobjekten aus der Guigoz-Sammlung. © Musées cantonaux du Valais, Sion. Université de Bâle

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