BÜRO DLB - IDEE-REALISATION-KOMMUNIKATION
Daniel Leutenegger, Rathausgasse 18, CH-3011 Bern, www.ch-cultura.ch

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"AUGENTÄUSCHUNG - TEXTILE EFFEKTE UND IHRE IMITATION
"

"AUGENTÄUSCHUNG - TEXTILE EFFEKTE UND IHRE IMITATION
"

29.04.2024 Ausstellung in der Abegg-Stiftung Riggisberg, bis am 10. November 2024, täglich von 14.00 bis 17.30 Uhr


Bild oben: Gesticktes Blumenstillleben; Amsterdam, sig. Anthonij Janssen, um 1650, Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 2225 (Ausschnitt)

Detail eines Chormantels, Samt: Italien; Goldstickerei: Spanien (?), 1430–1450, Inv. Nr. 4266

Bild: Textile Nachahmungen - Jede textile Technik vermag mit den jeweils verarbeiteten Materialien besondere Effekte hervorzubringen. Zuweilen wird die typische Erscheinungsform einer anderen Technik imitiert. So gibt es beispielsweise Samte mit gesticktem statt gewebtem Golddekor. Ebenso gelingt es, in Wirkerei kostbare Samte darzustellen. |Detail eines Chormantels, Samt: Italien; Goldstickerei: Spanien (?), 1430–1450, Inv. Nr. 4266

Was ist es nun? Ein Samt, eine Stickerei, eine Malerei? In der diesjährigen Sonderausstellung der Abegg-Stiftung ist nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Die ausgestellten Stoffe, Stickereien, Wandbehänge und Gewänder aus dem 4. bis 17. Jahrhundert sind Paradebeispiele textiler Augentäuschung.

Plinius d. Ä. (gest. 79) berichtet in seiner Naturgeschichte von einem Malerwettstreit, in dem Zeuxis von Herakleia Trauben malte, die so echt wirkten, dass Vögel herbeiflogen und nach ihnen pickten. Das Werk des Parrhasios aus Ephesos hingegen zeigte einen Vorhang. Dieser war so täuschend echt gemalt, dass Zeuxis ungeduldig verlangte, ihn beiseitezuschieben, um das eigentliche Bild dahinter betrachten zu können.

Seit der Antike ist die perfekte Nachahmung der Natur Ausdruck höchsten künstlerischen Könnens. Kostbare Stoffe mit ihren goldglitzernden Effekten und ihren seidig schimmernden Oberflächen eignen sich besonders gut, um die malerische Darstellungskompetenz unter Beweis zu stellen. Doch nicht nur in der Malerei, auch in den verschiedenen textilen Techniken – etwa Wirkerei, Weberei, Zeugdruck und Stickerei – suchte man mit jeweils eigenen Mitteln, Textilien anderer Gattungen darzustellen oder deren Effekte zu imitieren.

Während das Thema Trompe-l’œil in der Malerei in den letzten Jahrzehnten weitreichende Beachtung gefunden hat, widmet die Abegg-Stiftung in Riggisberg nun zum ersten Mal der Darstellung von Textilien und deren besonderen Merkmalen in den textilen Künsten eine eigene Ausstellung.

Ausschnitt aus einer Minneszene, Strassburg 1500–1510, Wollwirkerei, Inv. Nr. 2396

Bild: Abbild und motivische Wiedergaben - Ein Stoff zeichnet sich durch seinen Musterrapport als wertvoll aus, denn dieser zeigt an, dass das Gewebe auf einem komplexen Webstuhl hergestellt wurde. Für die Darstellung eines solchen Stoffs genügt die stete Wiederholung der Motive. Diese wird zur Chiffre für ein kostbares Textil. | Ausschnitt aus einer Minneszene, Strassburg 1500–1510, Wollwirkerei, Inv. Nr. 2396

Textilien im Textil

Wie wird ein Textil dargestellt? Woran erkennt man beispielsweise einen kostbaren Seidenstoff? Diesen Fragen widmet sich der erste Teil der Sonderausstellung. Bei der Abbildung von Textilien tragen unterschiedliche Farb- und Glanzwerte sowie das Muster bzw. der Musterrapport dazu bei, die Materialqualität eines Stoffes wiederzugeben. Ein gutes Beispiel dafür ist das rote Gewand eines jungen Mannes auf einer Wollwirkerei.

Das dargestellte Muster zeigt an, dass das Gewebe auf einem komplexen Webstuhl entstanden ist. Dank der präzisen Wiedergabe lässt sich sogar bestimmen, welche Gewebeart gemeint ist. Solche symmetrischen Muster aus floralen Motiven sind typisch für Seidendamaste des 14. und 15. Jahrhunderts, wie ein unmittelbar neben der Wirkerei ausgestellter Gewebeabschnitt veranschaulicht. Diese Gegenüberstellung zeigt auf eindrückliche Weise, wie exakt die Umsetzung gelang. Die Ausstellung präsentiert mehrere derartige Paare, so dass man Vorbild und Abbild miteinander vergleichen kann.

Draperie (Detail einer Tapisserie), Touraine, um 1500, Wirkerei mit Woll- und Seidenfäden, Inv. Nr. 1545

Bild: Schärfung des Auges - Die ausgestellten Objekte sind Paradebeispiele textiler Augentäuschung und animieren dazu, genau hinzuschauen. Raffinierte motivische, technische und illusionistische Effekte der einen textilen Gattung in einer anderen zu erkennen, sorgt für Überraschung und ein visuelles Vergnügen. | Draperie (Detail einer Tapisserie), Touraine, um 1500, Wirkerei mit Woll- und Seidenfäden, Inv. Nr. 1545

Textile Nachahmung

Die Darstellung von Textilien im Textil hat den Vorteil, dass textile Effekte nicht nur abgebildet, sondern auch ihre Strukturen nachgeahmt werden können. Genau um dieses Thema geht es im zweiten Teil der Ausstellung. Ein edler grün-goldener Chormantel scheint aus einem Samtgoldstoff gefertigt zu sein. Erst bei genauerem Hinschauen wird klar, dass es sich zwar um einen Samt handelt, aber dass sein goldenes Muster nicht im Webvorgang realisiert wurde, sondern aufgestickt ist. Das charakteristische Aussehen der einen textilen Technik wird augentäuschend in der anderen imitiert.

Überrascht stellt man deshalb immer wieder fest, dass bei den ausgestellten Exponaten nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. So auch bei einem Kaselkreuz aus dem 15. Jahrhundert, dessen beigeroter Grund samtartig wirkt. Tatsächlich wird hier ein Samt imitiert – eines der seltenen Beispiele mit gesticktem Flor. Samtgewebe zählten zu den teuersten Stoffen ihrer Zeit, da für die Herstellung eines Flors etwa sechsmal mehr Material benötigt wurde als für ein Gewebe ohne Flor.

Die Nachahmung solcher Stoffe ist aber keinesfalls ein preiswerter Ersatz. Vielmehr generiert das kunstvolle Spiel mit den textilen Werkmaterialien einen Eigenwert. Ein kurzer Film erläutert die Herstellung eines Samtstoffes und zeigt im Gegensatz dazu das Sticken eines Flors.

Textile Trompe-l’œils

Eine Tulpe und eine Nelke sind zusammen mit weiteren Blumen in einem chinesischen Porzellankrug arrangiert. Eine bekannte Bildkomposition gemalter Stillleben. Aber der Anschein täuscht, handelt es sich doch in diesem Fall um eine Stickerei. Der Amsterdamer Sticker Anthonij Janssen – er hat sein Werk selbstbewusst signiert – tritt mit diesem Meisterstück in einen Wettstreit mit seinen malenden Kollegen.

Textile Augentäuschungen fordern im letzten Teil der Ausstellung ein waches Auge. Elemente, die sowohl dem Bildraum als auch dem Raum der Betrachtenden zugeordnet werden können, führen gewollt zu Irritationen und animieren dazu, genau hinzuschauen. Motive wie Rahmen, Fenster oder Vorhänge vermögen die beiden Räume zu verbinden. So beispielsweise bei einer Brüsseler Tapisserie aus dem 16. Jahrhundert.

Um die paradiesische Landschaft mit Maria und dem Christuskind verläuft ein Rahmen mit Blumen und Vögeln, der wiederum von einem roten Streifen umschlossen ist. Es scheint, als wäre das gerahmte Bild auf einem Samt platziert worden. Bei einem Samtgewebe wirkt der Flor je nach Winkel des auftreffenden Lichts als dunkle Farbe oder als schimmernder Reflex. In der Wirkerei wird diese charakteristische Wirkung durch Wollfäden in vier Rottönen sowie mit Goldfäden erzeugt. Sogar die für Samte typische grüne Webkante wurde bei der illusionistischen Darstellung des Stoffes umgesetzt. Das Textil im Textil fungiert hier zugleich als Schwellenmotiv und Würdeformel für das kostbare textile Andachtsbild. Wer genau hinschaut, wird mit visuellem Vergnügen belohnt.

asr

Kontakt:

https://abegg-stiftung.ch/collection/augentaeuschung-textile-effekte-und-ihre-imitation-ab-28-april-2024/

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Tapisserie mit Maria und Kind, Brüssel, frühes 16. Jahrhundert, Wirkerei mit Seiden-, Gold-, Silber- und Wollfäden, Inv. Nr. 5760

Bild: Textile Trompe-l’œils - Künstlerische Augentäuschungen dienen nicht alleine dem Beweis handwerklicher Meisterschaft, sondern schaffen ebenso einen Weg zur Kontemplation. Mit ihnen gelingt es, die Schwelle zwischen dem Bildraum und dem Raum der Betrachtung zu überwinden. | Tapisserie mit Maria und Kind, Brüssel, frühes 16. Jahrhundert, Wirkerei mit Seiden-, Gold-, Silber- und Wollfäden, Inv. Nr. 5760

 

 

 

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