AARGAUER KUNSTHAUS: SCHLUSSBERICHT ZUM PROJEKT PROVENIENZFORSCHUNG
02.07.2019 Das Aargauer Kunsthaus hat in einer umfangreichen Forschungsarbeit 50 Kunstwerke aus der Sammlung Häuptli und vier weitere Kunstwerke auf ihre Herkunft und allfällige Zusammenhänge mit "NS Raubkunst" untersucht. Der grösste Teil der Sammlung erwies sich als unproblematisch. Einige Werke konnten aufgrund des heutigen Wissensstands noch nicht abschliessend beurteilt werden.
Foto: © https://www.aargauerkunsthaus.ch/sammlung/provenienzforschung/
Rahmen der Provenienzrecherche
Das Aargauer Kunsthaus beteiligte sich zusammen mit zwölf weiteren Schweizer Museen an der ersten Runde der vom Bundesamt für Kultur (BAK) initiierten Aufarbeitung der Provenienz von Kunstwerken, welche allenfalls unter die Kategorie "NS Raubkunst" fallen könnten und die unter dem Nationalsozialismus als "entartet" galten.
Was wurde untersucht?
Untersucht wurden 50 Werke der Sammlung Häuptli, welche einen wichtigen Bestandteil der Sammlung des Aargauer Kunsthauses darstellt. Die Sammlung Häuptli entstand zwischen den 1930er- und den frühen 1950er-Jahre. Es handelt sich vorrangig um Gemälde, welche mit einem Schenkungsvertrag 1970 vom Ehepaar Valerie Häuptli und Dr. Othmar Häuptli dem Aargauischen Kunstverein übereignet wurden.
Dazu kamen vier weitere wichtige Werke aus einer anderen Schenkung - drei Aquarelle von Paul Klee und ein Gemälde von Ferdinand Hodler, deren Provenienzen im Rahmen dieser Untersuchungen abschliessend geklärt werden konnten. Insgesamt wurden 54 Kunstwerke im Besitz des Aargauischen Kunstvereins untersucht.
Wer sind die Sammler und wie entstand die Sammlung?
Das Aarauer Ehepaar Valerie Häuptli und Dr. Othmar Häuptli - er war Chefarzt am Kantonsspital Aarau - sammelte für rund zwei Jahrzehnte moderne Kunst. Sie folgten dabei keinem strengen Sammlungskonzept; einen ihrer Schwerpunkte legten sie aber klar auf die expressionistische Kunst. So entstand eine Sammlung von 105 Werken, vorwiegend Gemälde. Die Kunstwerke erwarb das Ehepaar im nationalen sowie im internationalen Kunsthandel und sie pflegte direkte Kontakte zu Schweizer und internationalen KünstlerInnen, sowie zu weiteren SammlerInnen. Zur Geschichte der Sammlung gibt es wenig konkrete Anhaltspunkte, denn das Ehepaar Häuptli sammelte nicht nur ausschliesslich seinem Geschmack folgend, sondern sie blieben als Käufer auch zurückhaltend und traten öffentlich nicht häufig in Erscheinung. Dr. Othmar Häuptli starb 1983 und die Sammlung kam gemäss seinem Testament ins Aargauer Kunsthaus.
Warum die Sammlung Häuptli?
Die Sammlung Häuptli wurde aus mehreren Gründen für die Provenienzforschung ausgewählt. Sie beinhaltet Werke von sogenannt "entarteten" KünstlerInnen und ist für das Aargauer Kunsthaus von grossem kunsthistorischen Wert, weil Positionen aus der Avantgarde und dem Expressionismus vertreten sind. Ausserdem waren wichtige Anhaltspunkte zur weiteren Forschung aus früheren Provenienzrecherchen des Kunsthauses (1999-2008) bereits vorhanden.
Wie wurde untersucht?
Untersucht wurde die Sammlung aufgrund von verschiedenen Hinweisen. Darunter fallen die Namen, Einkommensverhältnisse und Lebensumstände der Erst- oder Vorbesitzer, der Zeitpunkt oder Ort des Besitzwechsels, an Auktionen gehandelte Werke sowie ihre Verkaufspreise, während der Aktion "Entartete Kunst" beschlagnahmte Werke, etc.
Folgende Quellen wurden konsultiert:
- Korrespondenz aus der früheren Provenienzforschung des Aargauer Kunsthauses 1999-2008
- Unterlagen aus dem Archiv des Aargauer Kunsthauses wie handschriftliche Eintragungen auf Leihscheinen von Ausstellungen
- Die Bilderrückseiten wurden auf mögliche Zoll-, Händler- oder Sammlerstempel oder per Hand aufgetragene Hinweise und Markierungen von deutschen Behörden zwischen 1933 und 1945 (z.B. aus der Aktion "Entartete Kunst") überprüft.
- Datenbanken des internationalen und deutschen Kunsthandels
Lostart-Datenbank (Deutsches Zentrum Kulturgutverluste), German Sales, Getty Provenance Index, Datenbank "Entartete Kunst" (Forschungsstelle Entartete Kunst der FU Berlin), Fold3.com, ERR-Datenbank (Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, relevant bei den Werken französischer Künstler)
- Werkkataloge
- Angaben der Nachfahren Häuptlis
- Recherche in Archiven und Bibliotheken sowie Anfragen an Museen und weitere Institutionen (Liste der Kontakte im Abschlussbericht)
- Provenienz Angaben der Werke von Paul Klee im Zentrum Paul Klee, Bern, in der Galerie Rosengart, Luzern und im Paul Klee Werkverzeichnis
Resultate der Provenienzforschung
Das Bundesamt für Kultur hat für das Projekt vier Provenienz-Kategorien vorgegeben, welche von "unbedenklich" bis "NS Raubkunst" reichen.
Bei 17 Werken ist die Provenienz zwischen 1933 und 1945 lückenlos rekonstruierbar und sie ist unbedenklich. Darunter fallen neun Werke von Paul Klee (davon sechs aus der Sammlung Häuptli) sowie drei Werke von Emil Nolde, welche in der Aktion "Entartete Kunst" beschlagnahmt wurden und die vorher im Besitz von öffentlichen deutschen Museen waren. Die entsprechenden Museen sind über die Resultate informiert worden.
Bei Werken, die in der Aktion "Entartete Kunst" beschlagnahmt wurden, gibt es keinen Anspruch auf Restitution, weil der deutsche Staat Werke aus seiner eigenen Sammlung veräussert hat.
23 Werke weisen noch Lücken in der Provenienz auf und konnten mangels weiterer Hinweise nicht abschliessend behandelt werden. Aufgrund der vorhandenen Anhaltspunkte sind sie jedoch tendenziell als unbedenklich einzustufen.
Bei sieben Werken lässt sich aufgrund des Kontexts nicht mit letzter Gewissheit ausschliessen, dass es Zusammenhänge mit NS-Raubkunst gibt. Allerdings liegen keine konkreten Hinweise auf solche Zusammenhänge vor. Darunter fällt z.B. Erich Heckels Märkische Landschaft, welche bis 1964 als verschollen galt. Emil Noldes Stillleben (Kuh, japanische Figur und Kopf) gehörte einem deutsch-jüdischen Sammler aus Frankfurt a.M.. Selbst nach sorgfältiger und aufwändiger Recherche konnte nicht rekonstruiert werden, unter welchen Umständen dieses Bild veräussert wurde.
Sieben weitere Werke sind nach den Vorgaben des Bundesamts für Kultur nicht ohne weiteres kategorisierbar. Darunter sind Skulpturen, welche keine Originale sind, vier Gemälde aus der Sammlung eines in der Schweiz wohnhaften deutsch-jüdischen Ehepaars, sowie August Mackes Aquarell Garten mit lesender Frau (am Thunersee), welches 2006 mit einer Restitutionsforderung konfrontiert war, die abgelehnt wurde.
Abschliessende Bewertung
Mit dem Projekt Provenienzforschung konnte ein bedeutender Bestand der Sammlung des Aargauer Kunsthauses erforscht werden. Das Projekt hat gezeigt, dass mit systematischer und sorgfältiger Recherche viele Lücken geschlossen werden können. Gleichzeitig wird das interne Knowhow zur Sammlung durch die Recherchen stetig und in entscheidenden Punkten weiterentwickelt.
Weitere Bestände des Aargauer Kunsthauses, welche in diesem Rahmen einer Erstüberprüfung unterzogen wurden, sollen in Zukunft mit der gleichen Präzision untersucht werden.
Weiterführende Informationen
Auf der Website des Aargauer Kunsthauses geben einzelne Texte Einsicht in die Arbeit der Provenienzforschung. Die detaillierten Resultate zu den 54 untersuchten Werke sind ebenfalls einsehbar und der Schlussbericht ist veröffentlicht. Die Direktion sowie die Sammlungskuratorin stehen bei weiteren Fragen zur Verfügung.
Direktion Aargauer Kunsthaus:
Madeleine Schuppli
Provenienz Projektleitung:
Simona Ciuccio, Sammlungskuratorin Aargauer Kunsthaus
Provenienz Abschlussbericht:
Nora Togni, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Aargauer Kunsthaus 2017-2019
Dr. Carolin Lange, externe Beauftragte für Provenienzforschung, Stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreis PROVENIENZforschung e.V.
Veranstaltung
Einblicke in die Provenienzforschung am Aargauer Kunsthaus am Beispiel von ausgewählten Werken von Paul Klee
Donnerstag, 22. August 2019, 19.30 Uhr
Nora Togni, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Aargauer Kunsthaus 2017-2019, gibt Einblicke in ihre Recherchearbeit zur Herkunft ausgewählter Bilder von Paul Klee in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses.
Anschliessend stehen sie und die Sammlungskuratorin Simona Ciuccio für Fragen zum Projekt Provenienzforschung am Aargauer Kunsthaus zur Verfügung. Es wird ein Apéro serviert.
akh
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Kontakt:
https://www.aargauerkunsthaus.ch/
https://www.aargauerkunsthaus.ch/sammlung/provenienzforschung/
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