SCHWEIZER KUNSTSCHAFFENDE VERDIENEN 40'000 FRANKEN PRO JAHR
23.11.2016 Eine Umfrage von Suisseculture Sociale untersuchte das Einkommen und die soziale Sicherheit von professionellen Kunstschaffenden in der Schweiz. 10 Jahre nach der ersten Umfrage sieht die Situation für Kunstschaffende nicht besser aus: Mehr als die Hälfte der Kunstschaffenden lebt trotz zusätzlicher nicht-künstlerischer Erwerbstätigkeit unter prekären Umständen und verfügt über keine Altersvorsorge, die über die AHV hinausgeht.
Die Dachorganisation Suisseculture Sociale, in der sich Verbände der professionellen Kulturschaffenden zusammengeschlossen haben mit dem Ziel der Verbesserung der sozialen Sicherheit, lancierte erstmals 2006 eine Umfrage zu Einkommen und sozialer Sicherheit von Kunstschaffenden.
2016, zehn Jahre später, folgte die Neuauflage dieser Umfrage bei den Mitgliedern der 19 Berufsverbände der professionellen Kulturschaffenden, welche im Dachverband Suisseculture (http://www.suisseculture.ch) organisiert sind.
Die Auswertung der total 2'422 Rückmeldungen belegt einmal mehr die mangelnde soziale Sicherheit für Kunstschaffende: fehlende Altersvorsorge und tiefe Einkommen.
Der Medianwert des jährlichen Gesamteinkommens (Einkommen aus Kunstschaffen und aus allen übrigen Tätigkeiten) beträgt Fr. 40'000. Die Hälfte der Teilnehmenden an der Umfrage lebt also unter prekären Umständen, auch wenn sie neben dem Kunstschaffen zusätzlichen Erwerbstätigkeiten nachgehen. Ohne zusätzliche Erwerbsquellen ist es gar nur schwer möglich, ein Mindesteinkommen zu erzielen.
Das hat auch Folgen für die Altersvorsorge, so verfügt die Hälfte der Befragten über keinerlei Vorsorge, die über die AHV hinausgeht.
Für Suisseculture Sociale unterstreichen die Resultate dieser Umfrage die prekäre Situation der Kunstschaffenden in der Schweiz. Daher fordert die Dachorganisation Politik und Gesellschaft auf, bei Fragen zur sozialen Sicherheit die Besonderheiten des Kunstschaffens adäquat zu berücksichtigen. In diesem Sinne begrüsst Suisseculture Sociale die Handlungsempfehlungen der Städtekonferenz Kultur zur sozialen Sicherheit von Kunst- und Kulturschaffenden (http://staedteverband.ch/de/Info/Aktuell/Medien/Medienmitteilungen_2016/161018_soz._Sicher).
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Die Auswertung fokussiert primär auf die Veränderungen seit der ersten Umfrage 2006. Total wurden 2'422 Antworten ausgefüllt.
Teilnahme:
› nach Geschlecht: 48 % Frauen zu 52 % Männer
› nach Sprache: 79 % deutsch, 16 % französisch, 3 % italienisch, 1 % englisch
› nach Alter: 15 % unter 25 Jahre, 71 % zwischen 25 und 64 Jahre, 15 % 65 Jahre und mehr
Einkommen
Angesichts eines Medianwertes des Gesamteinkommens (Einkommen aus Kunstschaffen und aus allen übrigen Tätigkeiten) von Fr. 40'000, kann die Einkommenssituation von der Hälfte der Teilnehmenden als prekär bezeichnet werden. Mit dem Kunstschaffen allein, ohne zusätzliche Erwerbsquellen, ist schwerlich ein Mindesteinkommen zu erzielen. Der Anteil des Einkommens aus dem Kunstschaffen ist im Vergleich zu 2006 gesunken, obwohl der prozentuale Anteil der Arbeitszeit, die für die Kunsttätigkeit aufgewendet wird, gestiegen ist.
70 % der Männer sind Kunstschaffende im Haupterwerb (70-100 %), aber nur 52 % erzielen damit ein BVG-relevantes Einkommen.
Bei den Frauen ist dieses Verhältnis Haupterwerb zu Einkommen 62 % zu 43 %. Das Missverhältnis zwischen aufgewendeter Arbeitszeit für die künstlerische Tätigkeit und dem damit erreichten Anteil am Gesamteinkommen zeigt sich auch darin, dass bloss 2 % der Frauen und der Männer nur 10 % dafür aufwenden, jedoch bei 21 % der Frauen und 19 % der Männer der Anteil des Einkommens aus dem Kunstschaffen am Gesamteinkommen lediglich 10 % beträgt.
Vorsorge
Gesamthaft gesehen ist im Vergleich zu 2006 ein Anstieg der «sowohl als angestellt wie auch als selbständigerwerbend» AHV-Versicherten zu verzeichnen, damit einhergehend eine Abnahme der ausschliesslich selbständig Versicherten.
Auch wenn kein direkter Vergleich zu 2006 gezogen werden kann - da neu bezüglich BVG-Versicherung zwischen Kunsttätigkeit und übrigen Tätigkeiten unterschieden wurde - kann festgestellt werden, dass im Bereich der beruflichen Vorsorge keine substantielle Verbesserung der Situation für die Kunstschaffenden erreicht wurde: lediglich 36 % der Frauen und 41 % der Männer geben an, sowohl für das Einkommen aus dem Kunstschaffen wie für das restliche Einkommen über eine 2. Säule zu verfügen.
2006 bejahten 52 % aller Teilnehmenden die Frage, ob sie BVG-versichert seien (allerdings ohne Differenzierung nach der Erwerbsquelle).
Bei der privaten Vorsorge sind die Zahlen leicht besser. Insgesamt geben hier 49 % derjenigen, die diese Frage beantwortet haben, an, in einer Säule 3a zu sparen. Angesichts der Tatsache, dass die Hälfte der Teilnehmenden über keinerlei Altersvorsorge verfügt, die über die AHV hinausgeht, ist es noch ein langer Weg zur sozialen Sicherheit für die Kunstschaffenden.
-> Die gesamte Auswertung als pdf
Mehr:
http://www.swissinfo.ch/ger/mehr-als-die-haelfte-der-kunstschaffenden-nagen-am-hungertuch/42702460
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