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Ungerechtfertigte Nennung von mutmasslichem Täter und Opfer

Ungerechtfertigte Nennung von mutmasslichem Täter und Opfer

18.10.2011 Schweizer Presserat: zwei Beschwerden gegen die Berichterstattung über ein Strafverfahren, das im Tessin Aufsehen erregte, teilweise gutgeheissen


Schweizer Presserat, Stellungnahme 41/2011 (http://www.presserat.ch/29870.htm), Parteien: X. c. Radiotelevision svizzera di lingua italiana und Y. c ticinonews.ch / «Il Caffè»/«Corriere del Ticino»/«laRegioneTicino»/«Giornale del Popolo», Beschwerden teilweise gutgeheissen

Der Schweizer Presserat heisst zwei Beschwerden gegen die Berichterstattung über ein Strafverfahren, das im Tessin Aufsehen erregte, teilweise gut.

Die identifizierende Berichterstattung durch die Radiotelevisione svizzera di lingua italiana (RSI) unmittelbar nach der Verhaftung eines Arztes wegen einer ihm vorgeworfenen Vergewaltigung war ebenso wenig gerechtfertigt wie die darauffolgende Benennung seiner Ehefrau als mutmassliches Opfer durch ticinonews.ch, «Il Caffè», «Corriere del Ticino», «laRegioneTicino» und «Giornale del Popolo».

Im September 2010 berichtete die RSI an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in der Sendung «Il Quotidiano» über die Verhaftung eines Arztes wegen einer ihm vorgeworfenen Vergewaltigung. Die Website ticinonews.ch benannte daraufhin die Ehefrau als mutmassliches Opfer. Weitere Medien zogen nach. Ein Angehöriger beschwerte sich beim Presserat über die Berichte der RSI und ein Journalist über diejenigen von ticinonews.ch, «Il Caffè», «Corriere del Ticino», «laRegioneTicino» und «Giornale del Popolo». Die RSI wies die Beschwerde mit dem Argument zurück, der Arzt sei wegen einer früheren aufsehenerregenden Affäre zur öffentlichen Person geworden. Deshalb sei die Namensnennung zulässig. Ticinonews.ch und die betroffenen Zeitungen äusserten sich unterschiedlich.

Für den Presserat war die Nennung des Namens des Arztes durch die RSI unmittelbar nach der Verhaftung nicht gerechtfertigt, da seine öffentliche Bekanntheit nur relativ sei und der aktuelle Fall weder in unmittelbarem Zusammenhang mit der früheren Affäre noch mit seiner beruflichen Tätigkeit stehe. Ebenso wenig sei es zu diesem Zeitpunkt notwendig gewesen, die Öffentlichkeit zu warnen. Nachdem die RSI bereits an zwei aufeinanderverfolgenden Tagen identifizierend berichtet hatte, habe der Nachzieher durch die anderen Tessiner Medien hingegen kaum noch weiteren Schaden angerichtet.

Als verfehlt erachtet der Pressserat demgegenüber die Identifizierung des Opfers durch ticinonnews.ch und diverse Zeitungen. Auch nach der Nennung des Arztes als möglichen Täter habe der Opferschutz weiterhin Vorrang gehabt. Und da die Verbreitung der fraglichen Website nicht mit derjenigen der Fernsehprogramme der RSI vergleichbar sei, hätten die anderen Medien ungeachtet des Vorpreschens von ticinonews.ch das mutmasslichen Opfers nicht identifizieren dürfen.

ots

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