SONIC MOUNTAINS - Swiss Noise & Sound Culture
08.01.2012 Dampfzentrale Bern, Samstag, 14. Januar 2012: Sudden Infant / Pendulum Nisum / Norbert Möslang / Vague / [sic]
Die 1980er-Jahre-Bewegung verlangte bekanntlich freie Sicht aufs Mittelmeer. Aber in der Schweiz stehen nun mal die Berge dazwischen. Aus der freien Sicht wurde also nichts - aber die Schweizer Ohren erlebten in Folge des Aufbruchs der 80er-Jahre eine grossen Befreiung. Im Umfeld von Punk und Rebellion entstand in vielen Städten der Schweiz eine lebendige und radikale Musikszene, die es auch heute, 30 Jahre später, immer noch gibt: Zwischen den Eckpfeilern Noise, Industrial und Free Music etablierten sich zahlreiche Performer, die ihre radikale Musik mittlerweile in die ganze Welt exportieren - als Schweizer Kulturgut.
Sonic Mountains will einen Blick werfen auf 30 Jahre Schweizer Underground und
hat deshalb fünf wichtige Exponenten eingeladen - auch jüngere.
Programm:
20:00 Uhr "M.R. - Nachts träumte
er
von enormer Lautstärke"
(Dok-Film von Lisa Gertsch über Mike Reber)
21:00 Uhr Vague
21:45 Uhr [sic]
22:30 Uhr Norbert Möslang
23:15 Uhr Pendulum Nisum
00:00 Uhr Sudden Infant
Danach: DJ Fish & Fish
Sudden Infant
Seit 1986 arbeitet Joke Lanz als Noise-Musiker, Performance- und
Klangkünstler, tritt solo und in verschiedenstens Formationen auf und arbeitet
für Theater- und Tanzprojekte. Improvisatoren wie Christian Marclay, Shelley
Hirsch, Bruno Amstad, Hans Koch oder Martin Schütz stehen genauso auf der Liste
seiner Kollaborateure wie die grossen Namen der internationalen Noise-Szene:
Daniel Menche, Z'ev, Aube oder The New Blockaders.
Sudden Infant entstanden 1989 aus dem Antrieb heraus, Klangkunst und
Performance miteinander zu verbinden. In die Auftritte fliessend immer wieder
Fragmente aus Dada, Aktionismus, Fluxus, Noise und Punk ein. Der Gebrauch von
minimalem Equipment sowie die pure, reduzierte Essenz des Körpers und der
daraus entstehenden Klangwelt sind die Eckpfeiler seiner Performances. Das
Ausloten akustischer und physischer Elemente, die Reduzierung auf das
Wesentliche, ergibt eine sehr spannungsvolle Bühnenästhetik und sprengt die
Grenzen zwischen Noise, Performance, Impro und Elektronik.
Kürzlich hat der norwegische Verlag "Marhaug Forlag" das Buch "Noise in My
Head - The Actionistic Music and Art of Joke Lanz" veröffentlicht.
Pendulum Nisum (Mike
Reber & Reto Mäder)
Mike Reber aus Bern ist als Schauspieler, Performance-Artist und seit kurzem als Doku-Film-Sujet bekannt. Seit bald 30 Jahren arbeitet der begeisterte Geräuschesammler an seiner Vision einer bedrohlich-schönen Musik, anfänglich als OP Rechts, seit 1995 als Teil der Band Herpes Ö DeLuxe.
Ende 2010 erschien eine musikalische Zusammenarbeit mit dem Berner Musiker Reto Mäder (RM74,
Ural Umbo, Sum Of R) unter dem Namen Pendulum Nisum. Dabei handelt es sich
eigentlich um ein reines Studioprojekt, welches für Sonic Mountains nun
erstmals eine Live-Aufführung erlebt. Komplex strukturierte Instrumentalsounds
und ausgefeilte Studiotechnik treffen auf Reber's jahrelang akribisch
gesammelte Feldaufnahmen.
Kürzlich ist der Dok-Film "M. R. - Nachts träumte er von enormer Lautstärke"
von Lisa Gertsch fertiggestellt worden. Dieser wird als Einstieg des Abends zum
zweiten Mal öffentlich vorgeführt.
Norbert Möslang
Norbert Möslang aus St. Gallen ist durch sein Instrumentarium bekannt geworden.
Er improvisiert mit "geknackter" Alltagselektronik, indem er in die
Schaltkreise von Alltagsgegenständen eingreift und sie neu zu Musikinstrumenten
umfunktioniert. Möslang spielte fast 30 Jahre im Duo mit Andy Guhl (Voice
Crack), dann aber auch mit Borbetomagus, Jim O'Rourke, Otomo Yoshihide, Keith
Rowe, Carlos Zingaro, Irène Schweizer, Oren Ambarchi und anderen. Für sein
Soundtrack zu Peter Liechtis Dokumentarfilm "The Sound Of Insects (Das Summen
der Insekten)" gewann er 2010 den Schweizer Filmpreis .
[sic]
Jen Morris stammt aus Montréal und lebt in Lausanne. Die Sound-Artistin und
Produzentin arbeitet vornehmlich mit analogen Sounds, welche sie durch
veschiedene akustische Prozesse in schwebende, wenn auch nie hintergründig
ambiente Klänge verwebt, eine Soundlandschaft "in which one can either bathe,
exercise, or make love", wie sie selber sagt. Ihre musikalischen Mitstreiter
stammten bisher trotzdem eher aus der Noise-Ecke: Lasse Marhaug, Alan Courtis,
Roughage, um nur ein paar zu nennen.
Vague (Kiko C. Esseiva & Scillia Lorage)
Kiko C. Esseiva aus Lausanne arbeitet im Gebiet der sogenannten Musique Concrète, eine von Pierre Schaeffer und Pierre Henry erschaffene und von Komponisten wie Luc Ferrari oder Michael Chion perfektionierte geräuschhafte Randerscheinung der zeitgenössisch komponierten Musik. Musique Concrète meint - keine Instrumentalstimmen, sondern Musik erschaffen mit konkreten Geräuschen, solchen, deren Ursprung keine musikalischen Absichten hatten. Dies klingt strenger und trockener als die resultierenden Erzeugnisse sind. Gerade Esseiva schafft, wie eben auch Luc Ferrari, warme, bildstarke Klangwelten, welche oft als "Cinéma pour l'oreille" bezeichnet werden. Im Duo Vague mit seiner Lebensgefährtin Scillia Lorage öffnet er sich der Improvisation. Esseiva arbeitet unter anderem mit Tonbandmaschinen und Tonspulen während Scillia ihre Stimme live verschiedenen Manipulationen unterzieht.
zVg
Kontakt:
www.suddeninfant.com
www.tollerort.org
www.moeslang.com
http://www.dampfzentrale.ch/de/programm.html?show=14.1.2012